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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10
Autoren: Ake Edwardson
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Jona…«
    »Jona? Aha! Jonas! Du fragst nach Jonas?«
    Winter blinzelte. Das sollte »ja« bedeuten.
    »Herrje, klar, wir haben ja gemeinsame Bekannte. Du hast das Foto bei Paula gesehen, oder?« Börges Augen glänzten, als wäre er der glücklichste Mensch auf der Welt. »Hübscher Junge, dieser Jonas. Genau wie das Mädchen. Sie waren beide einfach süß.« Börge schien sich in Erinnerungen zu verlieren.
    »Mein kleiner Scherz damals hat ihn ziemlich verschreckt. Ich hab doch bloß Spaß gemacht mit dieser Hand.« Jetzt lächelte Börge, es war ein anderes Lächeln als zuvor, ein warmes Lächeln. »Das Hobby hatte ich damals schon. Der alte Metzer fand das nicht witzig, aber mir war egal, was er sagte.«
    »Ha… ha…«
    »Was sagst du, Winter? Haha? Klar ist das witzig.«
    Winter sammelte allen Atem, der ihm zur Verfügung stand, und spannte seine Muskeln, um noch einige Worte herauszubringen. »Er … er hat dich gesehen.«
    Winter atmete heftig nach diesem Kraftaufwand.
    »Er hat mich gesehen? Mich gesehen?« Börge packte Winter an der Schulter und schüttelte ihn. »Sag mir, wann? Als ich hier war? Wohl kaum. Als ich dort war? Wohl kaum. Hier oder dort spielt keine Rolle. Als ich den Strick aus Paulas Wohnung geklaut habe, kam er angeschlichen, aber da war ich schon wieder draußen.«
    Börge ließ Winters Schulter los. »Dieser Junge ist von mir abhängig, genau wie sie von mir abhängig war. Du hast doch den Brief gelesen?« Börge nickte, wie um die eigenen Worte zu bestätigen.
    Winter hatte den Brief gelesen. Und jetzt wusste er: Paula hatte an Börge geschrieben. Anfangs hatte Winter es nicht verstanden. Aber sie hatte um ihr Leben geschrieben, um das Recht auf ihr Leben. Sie wollte ihre Freiheit. Sie hatte ihre Freiheit verlangt. Vielleicht hatte sie geglaubt, alle Heimlichtuerei würde sich in Luft auflösen, alle Lügen. Und dass nach dem Schweigen etwas anderes kommen würde, etwas Besseres. Sie hatte auch Jonas’ Freiheit verlangt.
    »Tatsache ist, dass ich den Jungen eingeladen habe«, sagte Börge. »Er kann jeden Augenblick hier sein. Er ist von mir abhängig, wie gesagt. Hat er dir was erzählt? Irgendwas? Nein.«
    Winters Handy klingelte. Er hatte vergessen, dass er eins besaß. Es gehörte in eine andere Welt, in ein anderes Leben.
    Börge war zusammengezuckt, aber nur kurz. Das Klingeln spielte keine Rolle, nicht für ihn, nicht für Winter.
    Hier liege ich. Oder sitze oder wie zum Teufel man das nennen soll. Ich hab mich selbst gesetzt. Ich hab mich selbst hierher versetzt. Ich bin mitgerissen worden. Ich hab aufgehört zu denken. Nein, ich habe gedacht, aber ich habe falsch gedacht. Ich bin allein. Mit wem hab ich zuletzt gesprochen? Jonas. War es Jonas? Was hab ich gesagt? Ich kann mich nicht erinnern. In kurzer Zeit ist zu viel passiert. Die Nacht war zu kurz. Ich hab auch mit Nina Lorrinder gesprochen. Ich habe ihr erzählt, dass ich zu Paulas Wohnung fahren wollte. Das hab ich doch? Aber das hilft jetzt nichts mehr. Ich wollte alles allein machen. Alles allein lösen. Die komplette Lösung finden. Ich wollte es erledigen, bevor ich mich ins Flugzeug setze. Jetzt wird nichts draus. Ich hätte diesen jungen Polizisten nicht schlagen sollen. Ich hab nicht mal nach seinem Namen gefragt. Auf dem Handy, das war Angela, ich fühle, dass es Angela war. Jesus! Elsa, Lilly. Ich hätte Angela heiraten sollen. Sie wollte es. Ich liebe euch, und ich werde euch immer lieben, ganz gleich, was auch mit mir geschieht. Paula wusste es. Sie hat um Verzeihung gebeten, als sie schreiben durfte, was sie wollte. Ihr Mörder hat ihr das nicht diktiert. Sie schrieb, was sie wollte, als sie wusste, dass sie sterben musste. Sie hat die Schuld auf sich genommen. Jetzt verstehe ich es. Das ganze Chaos in ihrem Leben, das entstanden ist, weil sie ein nicht geplantes Kind war, vielleicht unerwünscht. Sie muss es gesehen, entdeckt, verstanden haben. Was hat Börge in diesem Zimmer zu ihr gesagt? Musste er überhaupt noch viel sagen, nachdem sie es schon wusste? Sie wollte die Trauer der Hinterbliebenen lindern. Herr im Himmel. Hilf mir, jetzt, wo ich es verstanden habe, wo ich es weiß. Wenn meine Beine frei wären, würde ich diesen Teufel zu Tode trampeln. Er steht auf. Geht zu dem Sack. Ich muss mich vorbereiten. Er zieht etwas heraus. Ja, es ist ein Strick, er hat genügend Stricke, um die Erde zu umschlingen.
    Börge näherte sich mit dem Strick. Die Schlinge war schon vorbereitet. Er verschwand hinter
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