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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen
Autoren: Alexander Kent
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Magen bekommen.«
    Buller zeigte seine starken Zähne. »Allright, Sir.« Dann war er auch schon wieder draußen.
    Bolitho seufzte, das Aroma des Rums umwehte ihn wie eine Droge. Kommandokette. Er mußte sie aufbauen, niemand sonst war hier, der ihn hätte ermutigen oder tadeln können.
    Sein Kopf fiel zur Seite, aber er schnellte mit plötzlichem Widerwillen hoch. Wie George Probyn, das war ein feiner Anfang! Er sprang auf und fluchte, als sein Kopf gegen einen Decksbalken krachte. Aber das machte ihn sofort wieder nüchtern.
    Er ging weiter nach vorn, schwankend und sich bei den heftigen Bewegungen der Brigg festhaltend.
    Winzige Kabinen auf beiden Seiten eines kleinen, quadratischen Raumes: die Messe. Vorräte, Schießpulver, dann weiter vorn im Gang schwankende Hängematten. Alles roch neu, bis hinunter zu den Messetischen, den großen Rollen aufgeschossenen, starken Tauwerks im Vorschiff.
    Er fand den verwundeten Tracy in einer winzigen, noch nicht ganz fertiggestellten Kammer. Ein Seemann mit rotgeränderten Augen saß in einer Ecke, die Pistole in den Händen.
    Bolitho betrachtete die Gestalt in der Koje: ein mächtiger, hartgesichtiger Mann von etwa dreißig Jahren, der trotz seiner fürchterlichen Wunden und des Blutverlustes sehr lebendig aussah. Aber mit dem an der Schulter abgerissenen Arm stellte er keine große Gefahr mehr dar.
    Die anderen Verwundeten waren einigermaßen gut untergekommen und verhielten sich ruhig. Sie waren alle verbunden und mit Kissen, freien Hängematten, Decken und Kleidungsstücken einigermaßen gegen die heftigen Schiffsbewegungen abgestützt.
    Bolitho hielt unter einer wild hin und her schwingenden Lampe inne und fühlte den Schmerz der Verwundeten, ihr fehlendes Verständnis der Situation. Er schämte sich, an seinen eigenen Vorteil zu denken. Die armen Teufel wußten nur, daß sie von ihrem Schiff weggeschafft wurden, das – gut oder schlecht – ihr Heim gewesen war. Wohin ging es jetzt? Mit irgendeinem heimkehrenden Schiff nach England, und dann was weiter? An Land geworfen, ein weiterer Haufen verkrüppelter Seeleute. Helden für die einen, Witzfiguren für die anderen.
    »Bald bekommt ihr etwas Heißes zu essen, Jungs.«
    Ein paar Köpfe wandten sich ihm zu. Einen Mann erkannte er als Gallimore, einen Seemann, der auf der Trojan als Anstreicher eingesetzt gewesen war. Er war durch Kartätschentreffer schwer ve rwundet, hatte den größten Teil der rechten Hand verloren und war von großen Holzsplittern im Gesicht getroffen worden.
    Es gelang ihm zu flüstern: »Wo segeln wir hin, Sir?«
    Bolitho kniete neben ihm nieder. Der Mann würde sterben. Er wußte nicht, wieso, aber es war ihm klar. Andere hier waren schwerer verwundet, trugen aber ihren Schmerz mit Trotz, mit wütender Resignation. Sie würden überleben.
    Er antwortete: »Nach English Harbour. Die Ärzte dort können Ihnen helfen. Das werden Sie sehen.«
    Der Mann faßte nach Bolithos Hand. »Ich will nicht sterben, Sir.
    Ich habe Frau und Kinder in Plymouth.« Er versuchte, den Kopf zu schütteln. »Ich muß doch nicht sterben, Sir?«
    Bolitho fühlte einen Klumpen in seiner Kehle. Plymouth. Genausogut hätte es Rußland sein können.
    »Ruhen Sie sich aus, Gallimore.« Er entzog ihm vorsichtig die Hand. »Sie sind unter Freunden.«
    Er ging wieder nach achtern zum Niedergang, tief gebeugt wegen der Decksbalken.
    Wind und Gischt waren ihm jetzt beinahe willkommen. Er fand Couzens mit Stockdale am Ruder, während Quinn sich mit zwei Seeleuten nach vorn hangelte.
    Stockdale sagte mit seiner rauhen Stimme: »Alles hält gut, Sir.
    Mr. Quinn sieht nach den Luvbrassen.« Dann blickte er zum dunklen Himmel auf. »Der Wind hat noch einen Strich weiter geschralt, auch etwas abgeflaut.«
    Der Bug hob sich himmelwärts und stürzte dann mit Donnern und Beben in ein Wellental. Es hätte genügt, einen Mann von den Rahen zu schleudern, wäre einer oben gewesen.
    Stockdale murmelte: »Muß schlimm sein für die Verwundeten unten, Sir.«
    Bolitho nickte. »Gallimore wird sterben, glaube ich.«
    »Ich weiß, Sir.«
    Stockdale drehte das Rad ein paar Speichen weiter und sah das vibrierende Großmarssegel an, das prall wie ein Ballon an seiner Rah zerrte, als wolle es sich selbständig machen.
    Bolitho musterte ihn. Natürlich wußte es Stockdale. Er hatte den größten Teil seines Lebens mit Leidenden und Sterbenden verbracht, erkannte den nahenden Tod mit sicherem Blick.
    Quinn kam über das Deck nach achtern, taumelnd und
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