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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen
Autoren: Alexander Kent
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Wetter stellte keine hohen Anforderungen mehr, die White Hills lag schräg, aber stabil auf Backbordhalsen. Sogar der mächtige Besan war gesetzt und stand prall gefüllt über dem Achterdeck.
    Das Schiff war jetzt trocken und sauber nach dem Sturm, und die Behelfsroutine, die Bolitho zusammen mit Quinn und Frowd ausgearbeitet hatte, funktionierte gut.
    Frowd saß auf der Ladeluke, sein Bein als ständige Mahnung ausgestreckt.
    Couzens stand am Ruder, während Bolitho und Quinn ihre Sextanten ablasen und ihr Besteck verglichen.
    Bolitho sah Dunwoody an die Leereling gehen und ein Gefäß mit Unrat auskippen. Er kam gerade aus dem Mannschaftsdeck, wahrscheinlich von Gallimore. Dieser war ins Kabelgatt verlegt worden, den einzigen Ort, wo der starke Teergeruch des Tauwerks den Gestank einer brandig gewordenen Wunde erträglich machte.
    Quinn sagte müde: »Ich glaube, wir haben beide recht, Sir. Wenn der Wind so bleibt, sollten wir morgen Land sichten.«
    Bolitho gab Couzens seinen Sextanten. Quinn war also wieder beim Sir angelangt, das letzte Bindeglied zerbrochen.
    Er sagte: »Ja. Morgen müßten wir die Insel Nevis in Sicht bekommen, dann bis Antigua nichts mehr.«
    Er spürte einen unerträglichen Schmerz bei dem Gedanken, die White Hills wieder abgeben zu müssen. Es war natürlich lächerlich nach den paar Tagen, aber welches Selbstvertrauen hatte sie ihm gegeben, welche neuen Erkenntnisse vermittelt! Er blickte über das sonnenbeschienene Deck, und auch dieses erschien ihm nicht mehr so klein und eng wie in den ersten Tagen, als er es noch mit den gewaltigen Decks der Trojan verglich.
    Einige der Verwundeten ruhten im Schatten, gemütlich plaudernd und die Tätigkeit der anderen mit fachmännischen Blicken begutachtend.
    Bolitho fragte Quinn: »Was wirst du später machen, James?«
    Quinn wandte den Blick ab. »Wahrscheinlich das, was mein Vater möchte. Mir scheint, es ist mein Los, immer Befehlen geho rchen zu müssen.« Er blickte Bolitho plötzlich voll an. »Eines Tages, wenn du möchtest, ich – ich meine, wenn du nichts Besseres vorhast, würdest du mich dann mal in London besuchen?«
    Bolitho nickte und versuchte, seine Verzweiflung abzuschütteln.
    Es brachte Quinn genauso um wie Gallimore seine Wunden.
    »Ich komme gern, James –«, er lächelte, »– obwohl dein Vater nicht begeistert davon sein wird, einen kleinen Leutnant in seinem Haus zu empfangen. Ich rechne damit, daß du bereits ein reicher Mann bist, wenn ich nach London komme.«
    Quinn blickte ihm forschend ins Gesicht. Irgend etwas in Bolithos Ton schien ihn zu trösten, und er sagte: »Ich danke dir dafür, und für vieles andere auch.«
    »An Deck! Segel in Luv voraus!«
    Bolitho starrte hinauf zum Ausguck, er sah die White Hills vor sich wie ein Kreuz auf der Karte. Es gab hier so viele Inseln, französische, britische, holländische. Das Segel gehörte möglicherwe ise zu einem Schiff einer dieser Nationen.
    Seit die Kittiwake Antigua verlassen hatte, konnte sich alles mö gliche ereignet haben: Frieden mit den amerikanischen Rebellen, Krieg mit Frankreich.
    Plötzlich merkte er, daß alle ihn ansahen.
    »Entern Sie auf, Mr. Quinn, nehmen Sie ein Glas und melden Sie, was Sie sehen«, sagte er.
    Frowd stöhnte, als Quinn an ihm vorbeilief. »Das verdammte Bein! Ich wäre schon längst oben, wenn dieser…« Bis er sich eine passende Beleidigung für Quinn ausgedacht hatte, war dieser allerdings schon in den Wanten.
    Bolitho schritt aufgeregt an Deck auf und ab, wenn er sich auch bemühte, äußerlich ruhig zu erscheinen. Vielleicht war es ja ein Spanier, südwestwärts zum Festland unterwegs mit all seinen Schätzen. Unter diesen Umständen würde er sicher die White Hills für einen Freibeuter halten und bald abdrehen. In diesen Gewässern konnte man unter einem Dutzend von Feinden wählen.
    »An Deck! Es ist eine Brigg!«
    Einer der Verwundeten rief mit dünner Stimme: »Hurra, Jungs, dann ist es eine von den unsrigen!«
    Aber Frowd knurrte gequält: »Sie wissen, was ich denke, nicht wahr?«
    Bolitho blickte ihn an, ihm lief es kalt über den Rücken.
    Natürlich, die grausame Möglichkeit bestand. Dabei waren sie schon so weit gekommen, und, wie er glaubte, mit Erfolg.
    Es gab noch eine Chance.
    Er versuchte, seine Stimme zu beherrschen, als er nun rief: »Behalte sie im Auge!« Zu Couzens sagte er etwas ruhiger: »Wir we rden sie bald näher zu Gesicht bekommen, denke ich.« Er sah, wie das Begreifen den Glanz von Couzens Augen
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