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Zementfasern - Roman

Zementfasern - Roman

Titel: Zementfasern - Roman
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach <Berlin>
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leuchtet, kündigt Wasser an.
    Die Heiligen hatten das Wunder vollbracht.
    Festlich erleuchtet war der Himmel, erfüllt vom Widerschein der Lichtbrechung, als würde im ganzen Salento, in der ganzen Welt der Tag der heiligen Domenica gefeiert.
    Sturzbäche ergossen sich auf die Erde. Nach Monaten, in denen die Lebenssäfte der Menschen vertrocknet waren wie die Felder, die roten Böden, die braun verkrustet und verhärtet, mit totem Laub bedeckt zu den Küsten abfielen. Endlich Wasser. Am Fuße der Fabrik öffneten sich viele rote, gelbe, schwarze, weiße Schirme, eine Wiese aus Plastik und Stoff erstreckte sich bis zum Horizont.
    Der Regenguss trug den Hunger mit sich fort, den Durst und die Plagen. Der Regen reinigte, es war ein harter Regen, der wütend auf alle Flächen trommelte und die Kanäle füllte. Riesige Pfützen breiteten sich in der Stadt aus, weil das Wasser die Seen ansteigen ließ, die Flüsse reißend machte und das Meer in einen schwarzen Dunst hüllte. Das Wasser löste die Streichhölzer auf und wusch das Benzin ab. Das Wasser entschied.
    Mimi blieb reglos, aber ein weißes Lächeln zeichnete sich auf die Leinwand ihres Gesichts. In diesem Moment tauchte Arianna auf dem Dach auf, gefolgt von einer Schar Unbekannter und ganz hinten Biagino mit der Miene des Wissenden.
    Mimi suchte Patis Augen und stellte ihre Frage.
    »Bleibst du hier oben bei mir?«
    Das Schweigen dauerte wenige Sekunden.
    Das weiße Lächeln verwandelte sich in ein lautes Lachen, und die Streichhölzer wurden in Patis nassen Fingern zu einem Brei. Er war nicht mehr Pati, der Nebel verschwand aus seiner Brust wie das Benzin aus den Kleidern. Manchmal erbt man die Bedeutung seines Namens und den Wert seiner Heimatorte, sie dringen einem so unaufhaltsam ins Blut wie eine Transfusion. Aber er erkannte, dass er eine Leidenschaft von Mimi geerbt hatte. Und Leidenschaft ist eine glückliche Ansteckung, ihr Keim wird von dem weitergegeben, den man liebt.
    Sein Kopf troff vor Nässe, Rinnsale bahnten sich ihren Weg durch die Furchen des Gesichts, Tropfen für Tropfen, von der Nase bis zu den Lippen kam inmitten der Donner eine einzige mächtige Silbe heraus. Keiner konnte sie hören, außer Mimi, die lachte.
    Von der Küstenstraße aus sah man die Blitze, Mimi betrachtete den türkisfarbenen Ring und sah, dass er die Farbe ihres Meeres im Sommer hatte. Beim nächsten Patronatsfest würde sie nicht mehr allein sein, und auch wenn das nur ein einziges Mal geschehen sollte, dieses eine Mal würde für immer an einem verborgenen Ort aufbewahrt werden, dem, wo auch alle toten Seelen waren, und es würde sein wie ein Fossil in der Erde, das nur ans Licht kommt, wenn es einen anderen Stein gibt, mit dem es sich zusammenfügen lässt.
    Martina Franca,
28. Dezember 2010

Dank
    Im Sommer 2006 habe ich mit der Konzeption dieses Buches begonnen. Im Dezember 2010 habe ich mit dem Schreiben aufgehört; mit dem Neuschreiben würde man, wie immer bei Romanen, niemals aufhören.
    Das Buch spielt in Zürich; einige der geschilderten Begebenheiten beziehen sich auf die Asbestfabrik von Niederurnen im Schweizer Kanton Glarus. In dieser Fabrik haben zwischen 1960 und 1980 fast zweitausend Einwohner der Gemeinden von Capo di Leuca gearbeitet. Heute sind die meisten von ihnen verstorben oder krank. Nur ein paar Dutzend haben Pensionen und Unterstützung gefordert oder einen Prozess um Entschädigung geführt. Das ist der Grund, warum es keine offiziellen Daten für die größte stumme Tragödie der italienischen Arbeitsmigration gibt.
    Vielen Menschen bin ich dankbar, weil sie mich in diesen Jahren beruflich und privat unterstützt haben.
    Im Folgenden sind alle Personen aufgezählt, die Mimis Geschichte von Anfang an oder zwischendurch begleitet haben; all jene, die mir logistisch und verlegerisch, bei den Gerichtsakten und Umweltkarten geholfen haben. Es sind, in nicht allzu ungeordneter Reihenfolge:
    Luciana Nicolì, Anna De Masi, Helena Janeczek, Antonella Gaeta, Pasqua Manfredi, Deborah di Bitonto, Serena Mingolla, Cinzia De Masi, Annalisa Marzocca, Margherita Trotta, Nora Mercurio, Giulia Ichino, Camilla Verboschi, Alessandra di Pietro, Chiara Valerio, Laura Grandi, Laura Cerutti, Marika Desiati.
    Alle beschriebenen Ereignisse, Orte und Personen sind real, doch willentlich durch die verzerrende Linse des Erzählers verwandelt, entbehren also der Wirklichkeit, nicht aber der Wahrscheinlichkeit. Die Namen und Nachnamen sind die gebräuchlichsten in den
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