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Zeitreisende sterben nie

Zeitreisende sterben nie

Titel: Zeitreisende sterben nie
Autoren: Jack McDevitt
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genug, was normalerweise nicht lange hätte dauern dürfen. Aber in dieser Nacht arbeitete sein Verstand wunderbar, wenn auch die motorische Koordination nicht mehr recht funktionierte. Er zahlte, glitt vom Barhocker und mühte sich auf die Straße.
    Dort wandte er sich nach rechts und strebte, immer einen Fuß methodisch vor den anderen setzend, zur Polizeistation. Als er nahe genug war, legte er etwas mehr Elan in sein Getaumel, übte sich noch ein paarmal im Kichern und stürzte zur Tür hinein.
    Ein Mann mit Corporalsstreifen kam aus dem rückwärtigen Raum.
    »Guten Abend, Officer«, sagte er übertrieben förmlich und trug dabei das breiteste Grinsen, das er zustande brachte. »Können Sie mir sagen, wo es nach Atlantic City geht?«
    Der Corporal schüttelte den Kopf. »Können Sie sich ausweisen, Sir?«
    »Natürlich kann ich«, sagte Dave. »Aber ich wüsste nicht, was Sie mein Name angeht. Ich habe es eilig.«
    »Woher kommen Sie?« Der Mann musterte ihn missbilligend.
    »Zwei Wochen von Sonntag.« David sah zur Uhr. »Ich bin auf Zeitreise.«
    Lieutenant Lake war verwundert und, wie Dave dachte, enttäuscht, als sie erfuhr, dass er die Nacht des Feuers im Gefängnis verbracht hatte. Sie sagte ihm, sie könne verstehen, warum es ihm schwergefallen war, die Wahrheit zu sagen, ermahnte ihn aber auch, den Hütern des Gesetzes gegenüber künftig ehrlich zu sein.
    Als sie fort war, rief er Helen noch einmal an. »Lass uns deinen Freund retten.«

Kapitel 43
    Nur noch zerstörte Chöre, wo einst possierlich Vögel sangen ...
    William Shakespeare, Sonett 73
    »Die Frage, die du eigentlich stellst, Simmias, ist, ob der Tod die Seele auslöscht.« Sokrates blickte von einem seiner Freunde zum anderen.
    Simmias war jung und scharfsinnig wie die meisten anderen auch, zeigte sich aber im Dunkel des Gefängnisses recht kleinlaut. »Es ist ein wichtiger Punkt«, sagte er. »Es gibt einen von noch größerer Wichtigkeit. Aber es hat uns widerstrebt ...« Er zögerte, schnappte nach Luft und brachte keinen Ton mehr heraus.
    »Ich verstehe«, sagte Sokrates. »Ihr fürchtet, dies sei ein taktloser Moment, um solch ein Thema anzusprechen.
    Aber wenn ihr es mit mir besprechen wollt, können wir es nicht hinausschieben, nicht wahr?«
    »Nein, Sokrates«, sagte ein hagerer junger Mann mit rotem Haar. »Bedauerlicherweise können wir das nicht.« Das, so überlegte Dave, musste Kriton sein.
    Piatons Bericht zum Trotz fand dieses letzte Gespräch zwischen Sokrates und seinen Schülern nicht in seiner Zelle statt. Es mochte dort angefangen haben, aber als Helen und Dave eintrafen, saßen sie in einem großzügigen, zweckmäßigen, aber düsteren Versammlungsraum. Auch Frauen waren zugegen. Sokrates, der zu diesem Zeitpunkt siebzig Jahre alt war, saß bequem auf einem hölzernen Stuhl, während die anderen sich im Halbkreis um ihn herum versammelt hatten.
    »Ich sehe ihn nicht«, sagte Helen Sekunden nach ihrer Ankunft.
    Dave ging es nicht anders, was ihn in Erstaunen versetzte. Shel hatte mehrfach angedeutet, er wolle an dieser letzten sokratischen Diskussionsrunde teilnehmen.

    Auf den ersten Blick sah Sokrates recht gewöhnlich aus. Er war durchschnittlich groß für seine Zeit und ordentlich rasiert, trug eine blassrote Robe und strahlte, bedachte man die Umstände, eine beachtliche Gelassenheit aus. Und seine Augen waren bemerkenswert. Sie vermittelten den Eindruck, sie würden von innen heraus leuchten. Als ihr Blick auf Dave fiel, was von Zeit zu Zeit geschah, hatte er das Gefühl, Sokrates wusste, woher er gekommen war und warum.
    Neben ihm wand sich Helen unter dem Einfluss widerstreitender Gefühle. Die Aussicht, Shel wiederzusehen, hatte sie wahrlich begeistert. Als er nicht auftauchte, sah sie Dave an, als wollte sie sagen, sie hätte es doch gleich gesagt, und lehnte sich zurück, um zuzusehen, wie sich die Geschichte vor ihren Augen entfaltete.
    Anfangs, dachte Dave, war sie enttäuscht, dass das Ereignis weiter nichts umfasste als die Unterhaltung einiger Leute, die sich in einem unbehaglichen Raum in einem Gefängnis getroffen hatten. Und auch noch Griechisch sprachen. Es war, als müsste die Szene niedergeschrieben, choreografiert und begleitet von gedämpften Trommelklängen aufgeführt werden. Vor ihrer Abreise hatte Helen Piatons Bericht gelesen. Dave versuchte, für sie zu übersetzen, aber irgendwann gaben sie einfach auf. Außerdem sagte sie, sie würde den größten Teil durch ihre Vorkenntnisse und die
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