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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis
Autoren: David S. Garnett
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oder auch nur ir­gend­ein Ma­gier. Er hat­te sich nicht wie ein Zau­be­rer be­nom­men, und er hat­te von der loth­rin­gi­schen In­va­si­on nichts ge­wußt. Wahr­schein­lich war er ein Be­trü­ger ge­we­sen, noch im­mer nichts an­de­res als ein Hof­narr, der ei­ne neue Rol­le ge­spielt hat­te.
    Er hat­te ihn ru­fen las­sen, um her­aus­zu­fin­den, was man mit den An­grei­fern an­fan­gen konn­te, aber daß er jetzt kei­ne Ant­wor­ten mehr von ihm be­kom­men wür­de, das war klar. Was hat­te er er­war­tet? Daß er ein Dä­mo­nen­heer her­auf­be­schwö­ren wür­de? Viel­leicht. Und jetzt wür­de er sich mehr auf kon­ven­tio­nel­le Streit­kräf­te ver­las­sen müs­sen: Wo­her aber soll­te er die neh­men? Er hat­te schon ge­nug Schwie­rig­kei­ten da­mit ge­habt, beim letz­ten Mal die re­gu­lä­re Ar­mee aus­zu­he­ben, und die war jetzt ver­nich­tet. Wie hat­te der neue Herr­scher Loth­rin­gens das fer­tig­ge­bracht?
    At­ti­las Land wür­de ver­brannt und ge­plün­dert und zer­stört wer­den, be­vor er ge­nug Sol­da­ten zu­sam­men­ge­trom­melt hat­te, um die Fein­de da­von­zu­ja­gen. Wenn es ihm aber ge­lin­gen soll­te… dann wür­de Loth­rin­gen hun­dert Jah­re brau­chen, um sich da­von zu er­ho­len.
    Der Zau­ber­stab war auf den Bo­den ge­fal­len, einen Schritt von der Lei­che ent­fernt. At­ti­la sah ihn ei­ne Mi­nu­te lang an und er­in­ner­te sich dar­an, was Fell da­mit ge­macht hat­te. Dann hob er ihn sehr vor­sich­tig auf und ziel­te da­mit.
    Ein Blitz­strahl zisch­te in den To­ten, ver­brann­te sein Fleisch und ver­seng­te sei­ne Klei­der.
    Der Saar­län­der ließ ihn fal­len, als sei er heiß.
    Aber er war nicht heiß. Er hob ihn wie­der auf und lä­chel­te. Er dach­te dar­an, wie gern er Na­po­le­on XV. tref­fen wür­de.
     
     
    Als sie durch die Tun­nels ge­hen, hat Ers­ter das Ge­fühl, als ha­be sich – buch­stäb­lich – ein großes Ge­wicht von sei­nem Schä­del ge­ho­ben. Und als sie dann an die Ober­flä­che kom­men, hat es den An­schein, als ob er sich end­lich von ei­ner Mi­grä­ne er­holt, die zehn Jah­re ge­dau­ert hat. Viel­leicht hat er sich auch nur von ei­ner zehn­jäh­ri­gen Be­wußt­lo­sig­keit er­holt, nach­dem er so lan­ge ge­schla­fen hat.
    „Zehn Jah­re lang“, sagt die Frau, als sie an­hal­ten, um nach Luft zu schnap­pen, „hat M ASCHI­NE das kon­trol­liert, was von der Welt noch üb­rig ist. Sie hat es durch dich kon­trol­liert – sie ist in dein Ge­hirn ein­ge­drun­gen und hat dein Be­wußt­sein ma­ni­pu­liert.“
    Er nickt. Er weiß, daß dort, wo sei­ne Er­in­ne­rung sein soll­te, nichts als ei­ne lee­re und ver­ges­se­ne Wüs­te ist. Er hört ihr zu und füllt die Lee­re mit dem, was sie ihm sagt – oder er ver­sucht es, denn er weiß, daß das kaum län­ger hal­ten wird als sei­ne frü­he­ren Er­in­ne­run­gen, als M ASCHI­NE sein Be­wußt­sein von al­len Er­in­ne­run­gen ent­leert hat. Zehn Jah­re sind ei­ne lan­ge Zeit; viel Scha­den kann da an­ge­rich­tet wer­den. Wird sein Er­in­ne­rungs­ver­mö­gen je­mals wie­der nor­mal wer­den – oder war es je­mals ,nor­mal’?
    „Sie hat dir nur das er­zählt, was du wis­sen soll­test“, spricht sie wei­ter. „Sie hat ge­stri­chen und zen­siert, und das bei al­len Be­rich­ten, die du be­kom­men hast. Sie hat vor­ge­ge­ben, du zu sein, und Be­feh­le er­teilt, von de­nen du nichts ge­wußt hast – wie zum Bei­spiel die Sa­che mit Flan­dern und den De­ser­teu­ren, von de­nen sie dir nie et­was ge­sagt hat.“
    Da­von hat sie schon ge­spro­chen, als sie noch un­ten wa­ren, und Ers­ter fragt: „Warum? Wel­chen Zweck hat sie da­mit ver­folgt?“
    „Um Cha­os und Ver­nich­tung für die mensch­li­che Ras­se zu be­wir­ken“, sagt sie.
    Das ist wie ein Co­de­wort, das ei­ne vor­her blo­ckier­te Er­in­ne­rung löst. „Da­mit ih­re Her­ren den Pla­ne­ten für sich selbst ha­ben kön­nen“, fügt er hin­zu.
    „Ja“, sagt sie.
    Es gibt Din­ge, die man nie ver­gißt, wenn kein Zwang aus­ge­übt wird. Im Fall des Ers­ten sind das nicht vie­le – und selbst für sie braucht man den rich­ti­gen Schlüs­sel, um das auf­zu­schlie­ßen, was noch nicht voll­stän­dig aus sei­nem Ge­hirn
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