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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug
Autoren: James Kahn
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die Kinne herab. Der Wind sprang um und beirrte ihn. Er blieb stehen und schnupperte. Da war er wieder, der Geruch. Viel stärker jetzt, gleich hinter dem Gebäude an der Ecke. Ein Mensch!
     
    Das Loch im Drahtnetz war fertig. Lon flog wieder in die Stadt hinab. Er ruhte sich an einem Baum aus, weil er schwitzte und zu frösteln begann. In einer Stunde würde die Sonne aufgehen. Ringsum herrschte Gewühl, als drängten sich Käfer um einen offenen Abfluss. Er wollte hinaus, bevor er mit fortgesaugt wurde. Aber zuerst musste er Josh und Jasmine finden.
    Er ging auf den vereinbarten Treffpunkt zu. Er hätte fliegen können, wollte seine Kraft aber für den Flug aus der Stadt aufsparen. Und er hatte wieder Schmerzen an der Wunde.
     
    Jasmine blieb stehen. Ein Pöbelhaufen stürmte an ihr vorbei, mit Taschenlampen ausgerüstet. Man verfolgte einen unsichtbaren Saboteur. In der Ferne, bei der Festung, begann eine Glocke zu läuten.
    Sie atmete tief ein und ging weiter. Irgendwo im Westen flackerte Feuerschein. Jasmine zuckte zusammen. Sie war nervös.
    Nach zweihundert Metern tauchte das letzte Tor auf. Jasmine beschleunigte ihre Schritte. Drei Vampire flogen tief über ihr dahin, auf die Brandstelle zu. Der Flugwind wehte kurz ihre Haare in die Höhe. Jasmine ging noch schneller.
    Sie hatte das Tor fast erreicht. Plötzlich kam der volle Mond hinter den Wolken hervor und überflutete die Stadt mit kaltem, weißem Licht. Jasmine begann zu laufen. Dreißig Schritte zum Tor, zwanzig, zehn. Sie lief hindurch, über die Brücke, hinaus in die staubige Nacht. Und tauchte unter.
    Beauty tauchte unter die Innenmauer, kam in der Außenstadt herauf, ging weiter. Der Mond kam kurz heraus und verbarg sich wieder. Im bleichen Licht schienen zwei körperlose Geisterköpfe lautlos, mühelos auf der Strömung dahinzuschwimmen.
    Sie sprachen beide kein „Wort und achteten nur darauf, nicht bemerkt zu werden. Drei Meter vor der Mauer entdeckte man sie doch und schlug Alarm.
    »Seht da! Wesen im Wasser!« rief jemand.
    »Ihr da, im Wasser! Kommt heraus!«
    »Haltet sie auf! Hierher!«
    Beim ersten Schrei tauchte Beauty unter und schwamm beharrlich stromaufwärts zur Mauer. Er erreichte das riesige Unterwasserloch in der Mauer, durch die der Hauptarm des Stromes floss – erreichte es gerade in dem Augenblick, als ein massives rostiges Eisengitter vor ihm herabsank. Mit aller Kraft packte er das Gitter und zog sich darunter vorbei auf die andere Seite. Er ließ das Gitter los, kurz bevor es sich in den sandigen Boden rammte, und ließ sich langsam an die Oberfläche treiben. Sie hatten die Stadt hinter sich.
    Rose glitt von seinem Rücken, um ihn zu schonen.
    »Meine Kraft kommt langsam zurück«, sagte sie, während sie Wasser trat. »Ich kann jetzt selbst schwimmen.«
    Hinter der Mauer hörten sie Schreie, Befehle, Klatschen. Beauty und Rose lächelten einander an, stießen sich von der Mauer ab und schwammen mit ruhigen Zügen im schwarzen Fluss nach Osten, hinein in die kühle schwarze Nacht.
     
    Joshua entdeckte den Zerberus im Mondlicht im selben Augenblick, als die Bestie auf ihn losstürmte. Er hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren, und versuchte deshalb zu fliehen, aber mit jedem Schritt holte der Hundemensch auf. Josh griff nach seinem Messer und fand es nicht. Er spürte den Atem des Ungeheuers an seinem Nacken, dann packten die Zerberusfinger seine langen Haare und rissen ihm den Kopf zurück. Er stürzte zu Boden und überschlug sich knapp vor den Zähnen des Wesens.
    Der Schatten eines Vampirs stieß rauschend auf sie herab und riss die beiden mit einem einzigen Hieb auseinander. Es war Lon. Eine Zeit hörte man nur Fauchen, Knurren, Jaulen, dann war alles still. Lon stand langsam auf. Der Zerberus nicht.
    Lon schwankte und stürzte zu Boden. Josh lief zu ihm. Der linke Arm war zerfleischt, das Gesicht des Vampirs bleich wie Mondlicht.
    Er stand aber sofort wieder auf und winkte ab.
    »Wir müssen uns beeilen«, flüsterte er.
    Er umschlang Joshua mit dem rechten Arm, breitete die Flügel aus und schwang sich hoch. Seine nachlassende Kraft machte sich aber bemerkbar – er flog hinauf, sank herab, verlor beinahe das Gleichgewicht. Er erreichte nur mit Mühe die Krone der Außenmauer und das Loch, das er vorher hineingeschnitten hatte. Sie sanken auf der breiten Mauerkrone zusammen und schauten hinunter.
    »Ich brauche nur eine kurze Pause«, stieß der Vampir hervor. Sein Blut rann dick aus dem zerfetzten Arm und an der
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