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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug
Autoren: James Kahn
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ungehalten: »Geh hinaus in den Flur, wenn du schon unbedingt rauchen musst.« Neuromensch Eins antwortete barsch und ging hinaus. Jasmine schlich hinter Neuromensch Zwei heran, klappte sein Ventil auf und jagte Luft hinein, bevor das Wesen wusste, wie ihm geschah. Es sank über dem Tisch zusammen, um sich nie mehr zu rühren.
    Jasmine versteckte sich wieder. Nach wenigen Minuten kam sein Kollege herein.
    »Wach auf«, knurrte er seinem Mitarbeiter zu. Als Zwei sich nicht rührte, ging Eins hin und schüttelte ihn. Jasmine huschte heran, ließ das Ventil aufschnellen und injizierte Luft. Dann kippte sie Möbel um, legte die Arme der beiden Neuromenschen umeinander, die Hände an ihren Ventilen, während ihr Hämo-Öl auslief: Darstellung eines gespielten Todeskampfes. Jetzt gehörte ihr der Raum allein.
    Zuerst brach sie alle Schalterhebel für das Notsystem ab, dann stellte sie sämtliche Schalter der Hauptanlage auf ›Aus‹. Im dunklen Raum demolierte sie mit Hilfe ihrer Lampe sämtliche Schalter des Hauptstromaggregats. Sie verließ das Zimmer und sperrte die Tür ab, während es in den Gängen ringsum laut wurde.
     
    Die Lichter erloschen. Überall in der Stadt. Josh hatte sich in einem Gebüsch versteckt, als das geschah. Mit gewaltiger Erleichterung hörte er seine Verfolger plötzlich durch die Dunkelheit tappen. Überall wurden Rufe laut, Erschrecken, Angst, Verwirrung. Keine Straßenlampen, keine Scheinwerfer. Joshua verlor die Furcht, entdeckt zu werden, und verließ das Versteck.
    Er ging rasch, aber gelassen durch eine breite Straße zur Außenmauer. Überall stürmten Vampire und Neuromenschen dahin, aber niemand beachtete ihn. Er spürte schon die bevorstehende Freiheit, roch sie im Wind.
    Im selben Augenblick hob sich eine andere Nase in den Wind. Zerberus, der Wachhund an der Zugbrücke, war in die Stadt geschlendert, um zu sehen, was sich abspielte. Er weitete die Nasenlöcher und bleckte die Zähne aller drei Köpfe. Ich rieche Menschenfleisch, sagte er zu sich selbst und schlich lautlos dorthin, wo der Geruch herkam.
     
    Lon flog auf die Krone der Außenmauer, als die Lichter ausgingen. Mit seinen rasiermesserscharfen Krallen zerschnitt er das Netz über der Stadt. Das Loch musste groß genug sein, damit er auch dann hindurchfliegen konnte, wenn der Strom wieder fließen sollte. Er war schwach vom Blutverlust, schob den Gedanken daran aber beiseite. Tief unter ihm war die Stadt im Aufruhr. Methodisch zerschnitt er weiter die Drähte.
     
    Jasmine ging zum Haupttor an der Festung hinaus in die Innenstadt. Überall eilten Streifen umher, um Notstationen zu verteidigen. Manche Gruppen leuchteten mit Taschenlampen jedes Gesicht an, das vorbeikam, aber Jasmine, die ihre gestohlene Uniform trug, blieb unbelästigt. Sie ging ruhig durch das Chaos, wie ein langsames Boot durch tobende Gewässer.
     
    Beauty und Rose hielten den Atem an. Rose klammerte sich an den Rücken ihres Liebsten. Mit aller Kraft tauchte er unter und schwamm mit starken Zügen gegen die Strömung an. Als sie den Atem nicht mehr länger anhalten konnte, zerrte sie an seiner Mähne. Er tauchte auf.
    Sie trieben mitten im Strom, dreißig Meter von der Festung entfernt, wurden langsam zurückgeführt, dahin, wo der Fluss sich in die Kanäle ergoss, aus denen Beauty eben hinausgeschwommen war. Er atmete einige Augenblicke lang tief ein, tauchte wieder unter und schwamm gegen die Strömung an, fort von der Festung.
    Als er wieder auftauchte, stellte er fest, dass er kaum zwanzig Meter weit gekommen war; er ermüdete rasch, die Strömung war zu stark für ihn. Ringsum herrschte in der Stadt Dunkelheit, Wesen liefen durcheinander und schienen immer hysterischer zu werden.
    »Wir müssen gehen«, flüsterte Beauty. Sie nickte zitternd, obwohl sie sich bei ihm sicher fühlte. Er ließ sich ans Ufer treiben und stand auf, als seine Füße Boden berührten. Das Ufer war steil. Er stand bis zum Kinn im Wasser. Langsam und vorsichtig ging er am Ufer entlang, während Rose sich an ihm festhielt.
    Nur ihre Köpfe waren über dem Wasser, während sie langsam nach Osten vorankamen. In der Stadt ohne Licht, unter dem von Wolken verdeckten Mond konnte man sie kaum sehen. Aber niemand achtete auf den Fluss. Alles rannte zu den Kampfstationen, zu den Labors und Wohnungen.
    Beauty kämpfte sich langsam vorwärts zur Mauer.
     
    Der Menschengeruch stieg dem Zerberus stark in die Nase. Er sabberte im Gehen. An allen drei Köpfen rann der Speichel über
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