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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition)
Autoren: Amanda Knox
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kam meine Mutter mit einer neuen Zahnbürste und einer Tube Zahnpasta zurück. Witzig, wie wir dort standen und uns die Zähne putzten, zumal wir mit vollem Mund nicht sprechen konnten. Stattdessen begegneten sich unsere Blicke, und wir zogen die Augenbrauen hoch, um uns auszutauschen. Das war wieder wie zu Hause.
    Meine Mutter war abgespannt und kroch sofort ins Bett. Ich hingegen konnte überhaupt nicht schlafen. Das Herz schlug mir noch immer bis zum Hals. Ich stand wieder auf, ging im Arbeitszimmer herum und versuchte die Titel der Bücher in den Regalen an den Wänden zu lesen. Hier zu sein war so unwirklich; einige Stunden zuvor hatte ich noch auf meinem Bett im Gefängnis gesessen und vor Nervosität und Unsicherheit gebibbert. Die ganze Nacht saß ich im Sessel und starrte aus dem Fenster, bis es hell wurde. Das hier ist kein Gefängnis , sagte ich mir immer wieder. Du bist nicht im Gefängnis!
    Kurz nach Sonnenaufgang war Steve schon auf den Beinen; er hatte sich angezogen, trug unser Gepäck in die Diele und erkundigte sich, wie ich geschlafen hatte.
    »Gar nicht!«, erwiderte ich munter.
    Unser Gastgeber kam von seinen morgendlichen Besorgungen zurück und bot uns Gebäck und Espresso an. Ich kippte den Kaffee und etwas Wasser hinunter, konnte aber nichts essen. Ich hatte keinen Hunger. Dann reichte er mir, mit Tränen in seinen sanften Augen, die Morgenzeitung. Die Titelseite zeigte eine große Nahaufnahme von mir, wie ich nach der Urteilsverkündung mit verweintem Gesicht aus dem Gerichtssaal geführt werde. O Gott , dachte ich.
    »Sie sind sehr fotogen«, witzelte Steve.
    Wir hatten kaum Zeit für den Espresso, denn draußen fuhr schon der Wagen vor. Nach einer langen, besinnlichen Nacht wurde es wieder hektisch. Rasch verabschiedeten wir uns von unserem Gastgeber, der uns alle kräftiger umarmte, als ich es von ihm erwartet hätte.
    Wir hatten noch Zeit, bis wir am Flughafen sein mussten, und beschlossen daher, im Hotel vorbeizuschauen, in dem meine Familie abgestiegen war. Steve war der Meinung, es sei besser, wenn ich mich umzöge. »Nichts für ungut, Sie sehen gut aus«, sagte er. »Aber die Paparazzi suchen nach dieser Aufmachung. Unsere Chancen, keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, sind besser, wenn Sie sich etwas von Madison oder Ihrer Schwester ausleihen können.«
    Als wir vor dem Hotel anhielten, war es noch sehr früh; der Eingangsbereich und das Foyer waren menschenleer. Steve stieg als Erster aus dem Wagen und schaute sich argwöhnisch um. »Wir sollten nicht lange hierbleiben«, sagte er. »Die Paparazzi werden den Aufenthaltsort Ihrer Angehörigen kennen.«
    Ich zog mir die Kapuze meines Mantels über das Gesicht und näherte mich eilig dem Eingang. Dort setzte ich die Kapuze ab, ging mit meiner Mutter und Steve schnell zu den Aufzügen und bemühte mich um ein saloppes Auftreten. In dem Augenblick erschien ein Foto von mir auf dem Großbildschirm im Foyer, mit dem meine Freilassung aus dem Gefängnis bekanntgegeben wurde. Ich trug noch immer dieselbe Kleidung. Oben eilten wir dann zu den Zimmern meiner Familie.
    Corrado hatte Vorkehrungen getroffen, dass wir in der VIP-Lounge auf den Abflug warten konnten. Mehr noch: Wir erreichten den Flughafen durch eine Seiteneinfahrt. Dort wurden wir dann einer gesonderten Sicherheitskontrolle unterzogen und durch mehrere Gänge eskortiert, mussten uns aber schließlich doch der Öffentlichkeit stellen. Sicherheitspersonal des Flughafens nahm Corrado, meine Mutter, Steve und mich bis zur VIP-Lounge in die Mitte, unterdessen zogen die Leute ihre Handys hervor und machten Fotos. Ich nahm Corrado in den Arm und bedankte mich für alles, was er getan hatte.
    Meine Familie versammelte sich in der Lounge, und ich bestellte meinen ersten Cappuccino seit meiner Freilassung. Meinen verblüfften jüngeren Schwestern erklärte ich, dass wir im Gefängnis heiße Milch in eine leere Zweiliterflasche gekippt und heftig geschüttelt hatten, um Milchschaum für einen Cappuccino zu erhalten. Das funktionierte nie so richtig.
    Chris und ein Angestellter der Fluggesellschaft hatten uns drei Plätze in der Business Class gesichert, damit wir uns im Flugzeug sicher zurückziehen und entspannen konnten. Vielen Journalisten war es gelungen, noch in letzter Minute Plätze für den Flug zu buchen, doch die Flugbegleiter, denen unsere Lage bewusst war, verweigerten ihnen den Zutritt zur Maschine.
    Deanna und ich kicherten wie zwei kleine Mädchen und stießen uns über
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