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Zeit Des Zorns

Zeit Des Zorns

Titel: Zeit Des Zorns
Autoren: Jutta Ditfurth
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Unverbindlichkeit ermatten, können leicht zerfallen, einzelne Teile lassen sich gegeneinander ausspielen und von der Gegenseite vereinnahmen. Sind sie mehr als ein spielerisches Ventil? Sind sie interventionsfähig? Verlässlich? Eine Partei, die ja eine in einer bürgerlichen Gesellschaft wäre, trüge andere Krankheitskeime in sich. Die verbindlichere Struktur kann Hierarchie, Verspießerung und Selbstzweck im Gepäck haben. Gibt es eine Art der Organisierung, die all diese Mängel aufhebt?
    Die Lösung könnte eine verbindliche Organisation sein, die in der Lage ist, ihre eigenen Strukturen permanent in Frage zu stellen, damit sie nicht erstarrt, aber ihre Grundsätze nicht zur Disposition zu stellen. Eine Organisation, die beweglich und stark zugleich auf die sich verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse eingehen kann. Es gibt natürlich kein kopierbares Vorbild, wie sollte das auch möglich sein. Aber in vielen Kämpfen finden wir – neben vielem Kritikwürdigen – in bestimmten Phasen auch vorbildliche Elemente: in der Pariser Commune, in der Anfangsphase der russischen Oktoberrevolution, in den kurzen Lebenstagen der deutschen Novemberrevolution, in der spanischen CNT (Confederación Nacional del Trabajo), in Phasen der kubanischen Revolution, in den fast vergessenen sozialen Experimenten Chiles vor 1973 und in der portugiesischen Revolution von 1974.
    * * *
    Manche Menschen reagieren allergisch auf Worte wie »Organisation« und »Verbindlichkeit«, sie unterschätzen die korruptive und integrative Kraft ihrer täglichen vermeintlich unpolitischen Geschäfte in einer bürgerlichen Gesellschaft.
    Viele haben versucht, das Wellental zu nutzen, zum Klügerwerden, zum Analysieren, zum Ausruhen nach jahrelangen Kämpfen, zur Vorbereitung für neue. Jetzt, während der Weltwirtschaftskrise, ändern sich die Bedingungen so, dass wir schauen müssen, in welcher größeren Formation sich die vielen kleinen Gruppen zusammenschließen können. Aufmerksam und vorsichtig natürlich, viele von uns haben ja schon einschlägige Erfahrungen gemacht. Auch anderswo werden neue Versuche unternommen.Und während wir nebenbei neu über die Frage »Wie organisieren?« nachdenken, gibt es eine Menge zu tun, wovon wir uns währenddessen nicht abhalten lassen sollten.
    Es geht für uns alle darum, dass wir besser lernen, uns unsere Welt wieder anzueignen. Die gequälte Natur von menschengemachten Schäden zu entlasten. Den überwachten öffentlichen Raum zurückzuerobern. Unsere Angst bekämpfen zu lernen. Hoffnung zu schöpfen. Unser Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dinge zu lernen, die wir alle in der Schule nicht erfahren haben. Und dass wir viel stärker als bisher über deutsche Grenzen in alle Welt schauen müssen, um Bündnispartner zu finden.
    Darum geht es: sich die Welt aneignen. Lernen. Ausprobieren. Sich mit anderen solidarisch zusammenrotten. Meistens wird das zwischen Gleichaltrigen und Gleichgesinnten erst einmal leichter sein. Wenn der andere die gleiche Musik mag und einander die gleiche schulische oder berufliche Erfahrungswelt verbindet, erleichtert das die Zusammenarbeit. Wenn es aber darum gehen soll, die Gesellschaft tiefgreifend zu verändern, dann brauchen diese sozialen Inseln Brücken, dann wäre es gut, wenn wir lernten, mit sehr verschiedenen Menschen solidarisch zusammenzuarbeiten.
    Es wird vom Kapital und seinen Handlangern viel dafür getan, dass der Funke einer Bewegung nicht von einem Land auf das nächste überspringt. Deshalb erfahren wir üblicherweise wenig von den sozialen Kämpfen in aller Welt. Große Streiks in Kanada? Bergarbeiterstreiks in den USA? Millionen Menschen auf einer Demonstration in Athen? Nicht einmal aus den Zentren des Kapitalismus erfahren wir regelmäßig, was uns besonders interessiert. Wir sollen es auch nicht. Dafür kriegen wir Tratsch und Klatsch in Tsunami-Dimensionen. Natürlich ist die Sache gewollt. Ob nun jede einzelne Moderatorin irgendeiner hirnrissigen TV-Sendung weiß, was sie tut, ist bedeutungslos. Wir müssen unsere eigene Gegenöffentlichkeit schaffen.
    Wo sind die strategisch richtigen Konflikte, denen man auf keinen Fall aus dem Weg gehen soll, weil man mit ihnen in die gesellschaftliche Debatte eingreifen kann? Wie überwindet man törichte Milieubeschränkungen? Es muss ja nicht auf ewig so sein,dass Menschen, die dem Kapitalismus die Harke zeigen wollen, nur deshalb nicht zusammenkommen, weil sie unterschiedliche Musik hören. O.k., es gibt
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