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Zeit Des Zorns

Zeit Des Zorns

Titel: Zeit Des Zorns
Autoren: Jutta Ditfurth
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Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes,ein verächtliches Wesen ist«, wie Marx es formuliert, haben wir, angesichts der Weltlage, künftig etwas mehr zu tun als bisher. Einerseits. Andererseits werden seit Beginn der Weltwirtschaftskrise manche Selbstverständlichkeiten auf zuvor unberechenbare Weise erschüttert. Der Kapitalismus heißt wieder Kapitalismus und nicht mehr nur Marktwirtschaft. Der Glaube an ihn als die höchste Stufe menschlicher Entwicklung ist nachhaltig angeschlagen. Risse zeigen sich auch in vielen Köpfen, und es ist unsere Aufgabe, in diesen Köpfen die Widerhaken unserer kritischen und subversiven Fragen zu verankern, bevor die mörderische alte Ordnung diese Risse erneut zuschmiert.
    Ein paar Lektionen sollten nach ein paar hundert Jahren endlich klar sein: Der Kapitalismus ist durch Reformen nicht in eine humane Gesellschaft zu überführen. Die sozialen Interessen der Menschen können niemals in einer Gesellschaft entfaltet werden, in der gleichzeitig das Kapital seinen Verwertungsinteressen nachgehen kann, wie nicht nur Gregor Gysi uns glauben machen möchte, um seiner Partei eine Existenzberechtigung zu geben. 382 Denn diese Kapitalinteressen sind unzähmbar, sie sind eine mörderische Maschine, die den Menschen und die Natur verschlingt. Sie dulden neben sich nicht den freien und gleichen Menschen.
    Eine gerechte Gesellschaft ist keine, in der die Gerechtigkeit nur eine Pseudogleichheit ist, die bloß darin besteht, dass ein Hartz-IV-Empfänger bei Wahlen genauso viele Stimmen hat wie ein Konzernchef. Letzterer kann nämlich anders auf den Staat Einfluss nehmen und bräuchte die Wahlstimme eigentlich nicht.
    Eine gerechte Gesellschaft ist auch keine, in der für beide vor Gericht die gleichen Paragraphen gelten. Ihre ungleiche soziale Lage macht sie natürlich auch vor der bürgerlichen Justiz ungleich. Gesellschaftliche Reputation und einen erstklassigen Anwalt besitzen Stützeempfänger eher selten.
    Es gibt also keine Gerechtigkeit bei ungleicher sozialer Lage und demzufolge auch keine Freiheit. Eine Gesellschaft von Freien und Gleichen anzustreben ist keine moralische Frage. Es macht sehr viel glücklicher, in einer Welt zu leben, die nicht von Hass, sozialer Gewalt und Not durchsetzt ist. Eine Gesellschaft, in der Kinder nicht früh gebrochen und zu ängstlichen und unfreienMenschen gemacht werden. Es ist die schönste vorstellbare Utopie, in einer Welt zu leben, in der alle Menschen, die geboren werden, die Chance haben, ihr soziales, intellektuelles und kreatives Potenzial vollständig zu entfalten.
    In 500 Jahren kapitalistischer Entwicklung ist einiges an Fortschritt für den Menschen abgefallen. Oft sind es aber ambivalente Fortschritte, weil sie ja nicht angestrebt und finanziert wurden, um dem Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen. Die Ruinierung des Urwaldes produziert auch Zahnstäbchen. Bei der Forschung für die militärische Eroberung des Weltraums fiel die Teflonpfanne ab. Aber wäre all der Reichtum an Ressourcen, Wissenschaft und Technologie mit dem Ziel eingesetzt worden, das Leben der Menschen zu verbessern, wie viel anders würde die Welt heute aussehen?
    500 Jahre Kapitalismus bedeuten 500 Jahre Fortschritt und zugleich Ruin des möglichen Fortschritts. Unbestritten sei der Fortschritt, den die Medizin uns gebracht hat, aber die Lage aller Menschen betrachtet, wäre sauberes Wasser in ausreichender Menge für alle ein größerer gesundheitlicher Fortschritt als Hochtechnologie für wenige und Verdursten für so viele. Alle Menschen brauchen Zugang zu beidem. Aber der Kapitalismus verschafft einer Minderheit die Vorteile, während er zugleich die Lebensmöglichkeiten der Mehrheit beschränkt.
    Ein menschenwürdiges Leben für alle ist nur in einer Gesellschaft ohne Lohnarbeit und Kapital vorstellbar, wenn die Banken überflüssig geworden sind und das Geld keine Rolle mehr spielt, wenn die innere Qualität der Ware entscheidet und das Design sekundär ist, wenngleich nicht belanglos. Also wenn in einer Gesellschaft Gebrauchsgüter gefertigt werden, die nicht von der Profitlogik deformiert sind und deren Herstellung nicht asketisch-zwanghaft von einer bürokratischen Kommandowirtschaft wie dem sogenannten Realsozialismus reguliert wird sowie ohne das grenzenlose Wachstum des kapitalistischen Wirtschaftens mit seinem Zwang zu Profit, Konsum, Konkurrenz und unsozialer Leistung.
    Und wie kommen wir dahin?
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