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Zeit der Wut

Zeit der Wut

Titel: Zeit der Wut
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Übrigen wirst du von einem Haufen Kollegen geschätzt. Sie sagen, du bist wie ich … ein Mastino … ein Bluthund …
    – Ich hatte tatsächlich mal einen Hund. Er hieß Killer. Ich hielt ihn an einer Kette im Zwinger. Nur ich durfte mich ihm nähern.
    – Und dann?
    – Dann hat ihn jemand vergiftet.
    – Hast du herausgefunden wer?
    – Ja.
    – Und hast du dich gerächt?
    Marco gab keine Antwort. Er beschränkte sich auf eine vage Geste und konzentrierte sich wieder auf die Straße. Aber Mastino hatte seine Entscheidung bereits getroffen. Er mochte diesen Jungen. Er mochte seine ungezügelte Kraft. Willkommen an Bord, Marco Ferri. Es ist kein Zufall, dass ich und du in diesem Lieferwagen sitzen und nicht dein großer Chef. Er wollte ihn gerade fragen, woher er stammte, weil er in seiner Stimme den schleppenden Tonfall des Nordens erkannt hatte, doch da tauchten auf der Gegenfahrbahn plötzlich die Kroaten auf.

5.
    Als Alessio Dantini am Ort des Blutvergießens ankam, war die Truppe bereits vollständig versammelt: Rettungsautos, Gerichtsmedizin, Spurensicherung, der diensthabende Staatsanwalt und die Presse. Der Chef der Kriminalpolizei warf einen verzweifelten Blick auf die beiden Limousinen der Kroaten, auf die dunkle Silhouette des Lieferwagens mit den Panzerglasscheiben, auf den glänzenden Lauf der Bazooka, die gerade von zwei Sprengmeistern untersucht wurde, auf die Männer im weißen Kittel, die Patronenhülsen einsammelten und Fotos schossen. Ein Kordon uniformierter Polizisten schirmte den Tatort von dem Grüppchen Journalisten und Kameramännern ab, die verzweifelt versuchten, einen Blick auf die vier von schwarzen Tüchern verhüllten Leichen zu erhaschen.
    Zwei Schritte von den Leichen entfernt nahm Mastino die Glückwünsche einiger Lackaffen in Zivil entgegen („Eine wunderbare Operation! Kompliment, Herr Doktor, keiner hat einen Kratzer abbekommen …“). Perro hob die Hand zum Handschlag mit den drei anderen Falken. Marco stand etwas abseits. Er hielt noch die Maschinenpistole in der Hand. Dantini ging zwei weiteren Totenvögeln aus dem Weg, die das Massaker in fettem römischen Akzent kommentierten („Das habn se sich verdient, die Zigeuner!“), ging zu dem Jungen und berührte ihn leicht an der Schulter. Bei der flüchtigen Berührung zuckte Marco zusammen. Dantini blickte ihn mit seinen kleinen dunklen Augen an. Hinter ihm im Stamm einer Pinie waren zwei Einschusslöcher zu sehen.
    – Ich hatte doch gesagt, kein Blutvergießen, sagte er in ruhigem Tonfall. Dantini verlor nie die Ruhe. Dantini schickte dich mit einem Lächeln in den Himmel und tötete dich mit einem Einsilber.
    – Es war die Hölle …
    – Etwas genauer bitte.
    Marco nahm den Kopf in die Hände. Er versuchte dem Bilderchaos in seinem Kopf eine Ordnung zu geben. Aber die Bilder waren ungenau, verschwommen. Und es gab da etwas, was er nicht erzählen wollte, schon gar nicht Dantini.
    – Ich warte, Ferri.
    Also. Sie hatten plötzlich gebremst und die Fahrtrichtung gewechselt. Sie hatten den Audi gerammt, ihn von der Straße gedrängt, dann waren sie ins Buschwerk gerast, gefolgt von dem BMW. Sie hatten die Lichtung erreicht und darauf gewartet, dass die beiden, die zurückgeblieben waren, nachdem sie den Audi gerammt hatten, nachkamen. Die Autotür war aufgegangen. Perro hatte das Feuer eröffnet. Pilić hatte irgendetwas geschrieen. Alle hatten geschrieen. Das Ganze hatte nur wenige Sekunden gedauert.
    – Und du?
    – Ich habe geschossen. Wie alle anderen auch. Ich sagte ja, Herr Doktor, es war die Hölle. Entweder wir oder sie, Herr Doktor …
    – Red weiter.
    Noch mehr Bilder im Kopf. Pilić, der Mastino hasserfüllt anblickte und einen Fluch in seiner Sprache hervorstieß. Pilić, der von den Schüssen, die der Kommissar abfeuerte, zerfetzt wurde. Perro ging zu einem hin, der röchelnd am Boden lag – er hatte einen Bauchschuss abbekommen, vielleicht hatte er selbst, Marco, ihn getroffen – und nach der Bazooka griff, die Pilić hatte fallen lassen, und erledigte ihn mit einem Kopfschuss. Dann …
    – Ich habe mich auf dich verlassen, Ferri!
    Marco senkte den Kopf. Dantinis Enttäuschung machte ihn wehrlos. Und er hatte nicht den Mut, ihm zu sagen, dass ihn die Sache ziemlich erregt, aufgewühlt, innerlich leer gemacht hatte … dass es wie ein Rausch gewesen war. Es war aufregend gewesen, mittendrin zu sein. Es war aufregend gewesen, die Arschlöcher zu erschießen. Das Blutvergießen war aufregend gewesen. Und
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