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Zeit der Wut

Zeit der Wut

Titel: Zeit der Wut
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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hoben ihre Waffe und stießen einmütig einen wilden Schrei aus.
    Marco schloss die Augen, während ein Schauer durch seinen Körper lief. Es war wie zur Zeit der Zulus, wie in Birmingham und Newcastle. Derselbe Gestank von verschwitzten Körpern und Rasierwasser, Schreichöre und Testosteron, derselbe Schub von Adrenalin, der in den Venen zirkulierte. Gewalt, Gewalt, die die WUT besänftigte. Aber es war keine sinnlose Gewalt. Es war das harte und unbarmherzige Gesicht der Gerechtigkeit. Er spürte, dass er Mastino mochte. Er spürte, dass er diese Leute mochte. Er fühlte sich wie zu Hause. Sein mächtiger und erregter Schrei gesellte sich zu jenen der Einheit.

3.
    Pilić schloss die Augen und atmete tief durch.
    – Ich hatte einen Traum …
    Valentin nahm ihm den Spiegel aus der Hand und wischte mit den Fingerkuppen etwas weißes Pulver auf.
    – Du solltest mit dem Zeug nicht übertreiben, Chef.
    – Willst du nicht wissen, was ich geträumt habe?
    – Träume bringen Unglück.
    – Du wirst alt, Valentin.
    – Vielleicht. Wir sind bereit, Chef.
    Seufzend schlug Pilić die grauen Augen auf und lächelte den Männern zu. Die Zwillinge Rade und Ante saßen bereits im 5er-BMW. Valentin war drauf und dran, sich ans Steuer des Audi A6 zu setzen. Entschlossen streifte er sich die Sturmhaube über, unmittelbar gefolgt von den anderen. Pilić war müde. Er schwor, dass dies der letzte Coup sein würde. Der Italiener würde verstehen. Irgendwann kam im Leben der Augenblick, „es reicht“ zu sagen. Letzte Nacht hatte er vom Bauernhof seines Vaters geträumt, von den Ziegen, die bei Sonnenuntergang meckernd zurückkamen, von dem Jungen, der Priester werden wollte, die Illusion gehegt hatte, Minister zu werden, und als Bandit geendet hatte. Vielleicht hatte Valentin recht. Vielleicht bringen Träume tatsächlich Unglück. Aber Pilić war müde und er hatte Sehnsucht nach den Küsten und den Bergen seiner Heimat. Als er sich neben Valentin setzte, stimmte er leise ein trauriges Lied an. Die Zwillinge waren schon unterwegs.

4.
    Mastino hatte den Jungen ans Steuer des Lieferwagens gesetzt. Die beste Position, um ihn im Auge zu behalten. Sicher und mit gleichmäßiger Geschwindigkeit fuhren sie über die Cristoforo Colombo.
    – Wir fahren zur Hölle, ins Infernetto-Viertel …, hatte Perro kurz davor gescherzt.
    Mastino hatte dem Jungen erklärt, dass sich die Kroaten in Ostia versammelten.
    – Warum nehmen wir sie nicht dort hops?
    – Ostia ist groß. Meine Quelle hat keine genaue Adresse genannt …
    – Und nicht einmal die Handynummer!, hatte Corvo oder vielleicht auch Sottile hinzugefügt.
    Der Junge hatte versucht herauszufinden, wer die Quelle war. Ein scharfer Blick hatte gereicht, um ihn zum Schweigen zu bringen. Der Junge hatte sich sogar entschuldigt. Er war ein Mann Dantinis, klar, sein Augapfel. Aber er war auch ein Bulle. Bulle durch und durch. Das sah man an seinen Bewegungen, man spürte es an seinem Geruch. Der junge Ferri hatte große Lust, die Fäuste zu schwingen. Für gewöhnlich wollte Dantini mit solchen Wildfängen nichts zu tun haben. Er zog bedächtige Typen vor, Polizisten mit Samthandschuhen. Die hatte er besser in der Hand. Mastino beobachtete ihn weiterhin verstohlen. Dieses Loch mitten auf der Stirn … Der Junge machte ihn neugierig. Vielleicht konnte man was aus ihm machen.
    – Dantini is’ ’n guter Bulle, sagte er, um das Terrain zu sondieren, bloß denkt er manchmal wie ein Soziologe … Ich weiß nicht, ob ich mich klar genug ausdrücke, er macht sich zu viele Probleme, ja …
    – Ich verdanke ihm alles, flüsterte Marco entschlossen.
    Na gut. Loyal. Treu. Mutig. Aber bis zu welchem Punkt?
    – Ach, aber er verehrt dich! Er sagt, du bist einer, der nicht lockerlässt, und aus seinem Mund ist das gewiss ein Kompliment …
    Marco wandte einen Augenblick lang den Blick von der Straße ab und warf ihm einen finsteren Blick zu. Mastino versteckte sich hinter einer Zigarette. Dem Jungen war der spöttische Tonfall nicht entgangen. Er bestand also nicht nur aus Muskeln. Er hatte auch Hirn. Gespür. Hervorragende Eigenschaften für einen Bullen. Und Gewaltbereitschaft natürlich. Das hatte er in seinen Augen gelesen, zuvor in der Garage. Als Perro ihn provoziert hatte. Vielleicht sollte er ihn einfach machen lassen. Sehen, wie weit er gehen würde. Die Sache wurde langsam interessant. Es ging darum, die richtige Saite zu erkennen und sie im richtigen Augenblick anzuschlagen.
    – Im
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