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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
Autoren: Diana Gabaldon
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automatisch wieder, und plötzlich fiel ihm wieder ein, wie man atmet. Sein Herz schien sich ebenfalls wieder daran zu erinnern, wozu es da war, und begann erneut zu schlagen. Er setzte sich auf, wehrte einen zweiten Hieb Hunters ab und ließ den Blick blinzelnd über die Verwüstung ringsum schweifen.
    Der Fußboden lag voller Menschen. Manche wanden sich noch, manche lagen mit ausgestreckten Gliedern reglos da, manche hatten sich bereits erholt und ließen sich von ihren Freunden aufhelfen. Überall erschollen Ausrufe der Erregung, und Suddfield stand stolzerfüllt neben seinem Aal und ließ sich beglückwünschen. Nur der Aal machte einen gereizten Eindruck; er schwamm mit wütenden Bewegungen seines schweren Körpers im Kreis.
    Greys Blick fiel auf Edwin Nicholls, der sich auf Händen und Knien langsam erhob. Er streckte die Hand aus, um Caroline Woodfords Arme zu ergreifen und ihr beim Aufstehen zu helfen. Sie erhob sich jedoch so ungeschickt, dass sie das Gleichgewicht verlor und mit dem Gesicht gegen Mr. Nicholls prallte. Dieser verlor ebenfalls das Gleichgewicht und landete im Sitzen, Miss Caroline obenauf. Ob vor Schreck, aus Aufregung, weil er betrunken oder einfach nur ein grober Klotz war, ergriff er seine Chance – und Caroline – und drückte ihr einen herzhaften Kuss auf die erstaunten Lippen.
    Was dann geschah, war ein wenig verworren. Er hatte den vagen Eindruck, Nicholls die Nase gebrochen zu haben – und die aufgeplatzten und geschwollenen Knöchel seiner rechten Hand sprachen für diese Vermutung. Doch es herrschte großer Lärm, und er hatte das bestürzende Gefühl, sich nicht mehr so recht innerhalb der Grenzen seines eigenen Körpers zu befinden. Unablässig schienen Teile seiner selbst davonzudriften und der Hülle seiner Person zu entfliehen.
    Das, was sich noch an Ort und Stelle befand, war spürbar beeinträchtigt. Sein Gehör – das immer noch unter den Nachwirkungen der Kanonenexplosion vor einigen Monaten litt – hatte unter dem Einfluss des Elektroschocks völlig den Dienst eingestellt. Das heißt, er konnte zwar noch hören, doch was er hörte, ergab keinen Sinn. Einzelne Wörter drangen durch einen summenden, klirrenden Nebel zu ihm, aber er konnte sie nicht sinnvoll mit den Mündern in Verbindung bringen, die sich rings um ihn bewegten. Und er war sich dazu alles andere als sicher, ob seine eigene Stimme das sagte, was er sagen wollte.
    Er war von Stimmen umringt, von Gesichtern – ein Meer fiebriger Klänge und Bewegungen. Menschen berührten ihn, zerrten an ihm, stießen ihn. Er ruderte mit dem Arm, eigentlich eher, um herauszufinden, wo sich dieser befand, als um jemanden zu schlagen, doch er spürte einen Aufprall. Noch mehr Lärm. Hier und dort ein Gesicht, das er erkannte: Lucinda, schockiert und aufgebracht; Caroline, bestürzt, das rote Haar zerzaust und offen, der Puder dahin.
    Im Großen und Ganzen lief es darauf hinaus, dass er sich nicht sicher war, ob er Nicholls herausgefordert hatte oder umgekehrt. Es musste doch wohl Nicholls gewesen sein? Er erinnerte sich lebhaft daran, wie sich Nicholls das schleimdurchtränkte Taschentuch an die Nase hielt und ihn mit zusammengekniffenen Augen mörderisch anfunkelte. Seltsamerweise hatte er sich dann im Freien wiedergefunden, in Hemdsärmeln in dem kleinen Park vor dem Haus der Joffreys, eine Pistole in der Hand. Er hätte doch niemals aus freien Stücken mit einer fremden Pistole gekämpft, oder?
    Vielleicht hatte Nicholls ihn beleidigt, und er hatte Nicholls herausgefordert, ohne sich dessen bewusst zu sein?
    Es hatte vorhin geregnet, jetzt war es frisch; der Wind peitschte ihm das Hemd um den Körper. Sein Geruchssinn war bemerkenswert scharf; er schien das Einzige zu sein, das richtig funktionierte. Er roch Rauch aus den Schornsteinen, das feuchte Grün der Pflanzen und seinen eigenen Schweiß, seltsam metallisch. Und etwas schwach Fauliges – etwas, das nach Schlamm und Schleim roch. Unwillkürlich rieb er sich die Hand, die den Aal berührt hatte, an der Hose.
    Jemand sagte etwas zu ihm. Mühsam richtete er seine Aufmerksamkeit auf Dr. Hunter, der an seiner Seite stand und ihn nach wie vor unverwandt mit dieser Miene durchdringenden Interesses ansah. Nun, natürlich. Sie würden einen Arzt brauchen , dachte er dumpf. Man muss bei einem Duell einen Arzt dabeihaben.
    »Ja«, sagte er, als er sah, dass Hunter fragend die Augenbrauen hochgezogen hatte. Dann packte er Hunter mit der freien Hand am Rock, denn verspätet
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