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Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane

Titel: Zeit der Stürme: Vier Highland-Kurzromane
Autoren: Diana Gabaldon
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anzüglich – Grey wollte den Mann ja nicht beleidigen, aber es war unleugbar ein anzügliches Grinsen – in Miss Woodfords Richtung, woraufhin diese – mit zusammengekniffenen Lippen – lächelte und ihn tadelnd mit dem Fächer antippte.
    Wo war Carolines Onkel?, fragte sich Grey. Simon Woodford teilte das Interesse seiner Nichte an der Naturkunde und hatte sie doch gewiss begleitet … Oh, da! Simon Woodford war in ein Gespräch mit Mr. Hunter, dem berühmten Arzt, vertieft – was hatte Lucinda nur bewogen, ihn einzuladen? Dann fiel sein Blick auf Lucinda, die Mr. Hunter über ihren Fächer hinweg scharf ansah, und er begriff, dass sie ihn gar nicht eingeladen hatte .
    John Hunter war ein berühmter Arzt – und ein berüchtigter Anatom. Dem Gerücht nach schreckte er vor nichts zurück, wenn es darum ging, sich einen besonders begehrenswerten Kadaver zu schnappen – ob menschlich oder nicht. Er verkehrte zwar durchaus in der besseren Gesellschaft, jedoch nicht in den Kreisen der Joffreys.
    Lucinda Joffrey hatte Augen, die Bände sprechen konnten. Sie waren das einzig Schöne an ihr, mandelförmig, bernsteinfarben und imstande, bemerkenswert einschüchternde Botschaften durch ein überfülltes Zimmer zu senden.
    Hierher! , sagten sie. Grey lächelte und hob ihr das Glas zum Salut entgegen, machte aber keine Anstalten zu gehorchen. Die Augen verengten sich und glitzerten gefährlich, dann nahmen sie abrupt den Arzt ins Visier, der jetzt auf das Wasserbecken zuhielt. Sein Gesicht leuchtete vor Neugier und Sammelleidenschaft.
    Die Augen hefteten sich wieder auf Grey.
    Seht zu, dass Ihr ihn loswerdet! , sagten sie.
    Grey blickte zu Miss Woodford hinüber. Mr. Nicholls hatte ihre Hand in die seine genommen und schien irgendetwas zu deklamieren; sie sah so aus, als hätte sie die Hand gern zurück. Grey richtete den Blick erneut auf Lucinda und zuckte mit den Achseln. Er wies mit einer kleinen Geste auf Mr. Nicholls’ ocker-samtenen Rücken und drückte ihr so sein Bedauern darüber aus, dass seine Verantwortung seinen Mitmenschen gegenüber ihn daran hinderte, ihren Befehl auszuführen.
    »Nicht nur das Gesicht eines Engels«, sagte Nicholls gerade und drückte Carolines Finger so fest, dass sie aufquietschte, »sondern auch die Haut.« Er streichelte ihre Hand, und sein anzüglicher Blick überflog sie noch unverhohlener. »Wie mag ein Engel wohl am Morgen duften, frage ich mich.«
    Grey betrachtete ihn nachdenklich von oben bis unten. Noch eine derartige Bemerkung, und er würde möglicherweise gezwungen sein, Mr. Nicholls ins Freie zu bitten. Nicholls war hochgewachsen und kräftig, wog einen Viertelzentner mehr als er, und man sagte ihm nach, dass er Streit suchte. Am besten versuche ich zuerst, ihm die Nase zu brechen , dachte Grey, und schubse ihn dann mit dem Kopf voran in eine Hecke. Er wird nicht wieder ins Haus kommen, wenn ich seine Erscheinung verwüste.
    »Was schaut Ihr denn so?«, erkundigte sich Nicholls unfreundlich, als er sah, dass Greys Blick auf ihm ruhte.
    Lauter Applaus ersparte Grey die Antwort – der Besitzer des Aals rief die Gesellschaft zur Ordnung. Miss Woodford nutzte die Gelegenheit, ihre Hand fortzureißen, und ihre Wangen brannten vor Verlegenheit. Grey trat augenblicklich an ihre Seite und schob ihr die Hand unter den Ellbogen, während er Nicholls mit eisigem Blick fixierte.
    »Kommt mit mir, Miss Woodford«, sagte er. »Suchen wir uns einen Platz, von dem wir alles gut beobachten können.«
    »Beobachten?«, sagte eine Stimme neben ihm. »Ihr habt doch wohl nicht vor, nur zuzusehen , oder, Sir? Interessiert Euch denn gar nicht, wie es ist, das Phänomen am eigenen Leib auszuprobieren?«
    Es war Hunter persönlich. Das buschige Haar ohne große Sorgfalt zusammengebunden, jedoch mit einem anständigen zwetschgenroten Anzug bekleidet, grinste er zu Grey auf; der Arzt war zwar breitschultrig und muskulös, aber nicht sehr groß – keine eins sechzig gegenüber Greys eins siebzig. Offenbar war ihm Greys wortloser Dialog mit Lucinda nicht entgangen.
    »Oh, ich denke …«, setzte Grey an, doch Hunter hatte ihn schon am Arm und zog ihn durch die Menge, die sich um das Bassin drängte. Caroline folgte ihm hastig, nachdem ihr alarmierter Blick auf Nicholls’ finsteres Gesicht gefallen war.
    »Ich bin sehr neugierig darauf zu erfahren, wie Ihr es empfunden habt«, plauderte Hunter. »Manche Leute berichten von bemerkenswerter Euphorie, momentaner Orientierungslosigkeit … von
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