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Zeig mir den Tod

Zeig mir den Tod

Titel: Zeig mir den Tod
Autoren: Petra Busch
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Annika. Denn jetzt – endlich – hat er mich wieder gebraucht. Lene hat zu sehr getrauert, und sie war ja auch bald wieder schwanger. Ich habe zu Günther gehalten. Bedingungslos.« Sie drehte das Glas in den Händen, und Uwe sah, dass sie noch immer den Ehering trug. »Ich habe alles zerstört. Günthers Ehe, seinen Charakter, seine Hoffnungen. Ich wusste, dass er nie ein Großer werden würde. Die Bretter der Welt sind zu hart für ihn. Die der Provinz nicht. Dafür war er gut genug. Aber ich habe ihn immer belogen und ihm erzählt, er gehöre ans Wiener Burgtheater.« Sie sah Krenz an und erklärte: »Wer dort spielt, geht in die Theater-Annalen ein. Ich habe Günther krank vor Ehrgeiz gemacht und ihm versprochen, alles für ihn zu tun – er hat mit Sex bezahlt. Lene und die Kinder bezahlten mit der Zeit, die er nicht bei ihnen war. Vielleicht hätte er in dieser auch wirkliche Liebe zu Rebecca und Marius entwickeln können.«
    Lange sagte Krenz nichts. Dann, als Uwe aufstand, fixierte er dessen Blick. »Ich habe es immer gewusst.«
    Uwe nickte.
    »Was haben Sie mit Annika gemacht?«
    »Günther hat sie beerdigt. Im Grab seiner Schwiegereltern. Sie hätten Assmanns Garten noch zehnmal umgraben können.«
    Der große Zeiger der Küchenuhr schob sich über das Pflaumenmotiv, der kleine stand auf der Birne. Halb elf. Edith wird die Uhr mitnehmen, schoss es Uwe durch den Kopf. Sie hatte sie auf einem Flohmarkt entdeckt, zwischen einer Emaille-Badewanne mit Löwenfüßen und einem Spiegel mit blinden Flecken, in einer Zeit, die Äonen entfernt schien.
    »Was passiert jetzt mit uns?«, fragte Edith.
    »Da fragen Sie zu früh. Das muss erst alles vollständig ermittelt werden. Aber als Heilpraktiker hatten Sie genau wie die Eltern eine Garantenstellung, wie das Gesetz dazu sagt, gegenüber dem Kind. Die haben Sie missachtet. Das wird nicht ohne Folgen bleiben. Könnte auch auf unterlassene Hilfeleistung hinauslaufen.«
    »Und was bedeutet das konkret?«
    »Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. Das klärt die Staatsanwaltschaft. Wir exhumieren natürlich das Mädchen. Eventuell könnten Sie oder auch nur Herr Assmann noch wegen Verstoß gegen das Bestattungsgesetz angeklagt werden. Vermutlich gibt es aber Verjährungsfristen dafür.« Der Kommissar stand auf. »Ich muss Sie bitten, spätestens morgen in die Polizeidirektion zu kommen.«
    Uwe stieg die knarrende Treppe ins Erdgeschoss hinunter, Krenz folgte ihm. »Einen Moment noch.« Uwe eilte durch den Praxisanbau und die Volieren zu dem Holzhaus mit den Kleintiergehegen. Liebevoll hob er den Kater in die Transportbox und kraulte sein stumpf gewordenes Fell. »Du solltest nach Hause gehen, Kleiner. Du hast nicht mehr viel Zeit.« Eine Träne lief über seine Wange.
    In der Praxis gab er zwei braune Fläschchen in einen Papierbeutel, schrieb mit Kuli
alle
2
Std.
6
Globuli bzw. morgens und abends
20
Tropfen direkt ins Maul
darauf und drückte den Beutel Krenz in die Hand. »Das wird es ihm leichter machen.«
    Die Falten auf Krenz’ Stirn wurden noch tiefer.
    Uwe gab ihm die Transportbox. »Der gehört Ihrem Kollegen Ehrlinspiel. Bringen Sie ihn nach Hause.«

[home]
    41
    Fast drei Wochen später, Samstag, 13 . April
    D ie weißen Särge glänzten in der Aprilsonne. Annikas Sarg war kleiner als der ihres Bruders. Zwei Geschwister, die sich nie kennengelernt hatten und nun Seite an Seite ihren letzten Weg gingen.
    Es war ein schöner Platz auf dem kleinen Friedhof in Günterstal. Lichterfüllt, neben einem großen Weißdorn, dessen Knospen gerade aufbrachen und zarte Blütenblätter zeigten und in dem Vögel sangen. Die umliegenden Gräber waren frisch bepflanzt, doch das duftende Meer von Primeln, Tulpen und Narzissen konnte den Tod nicht beschönigen. Dass in Annikas Sarg nichts als ein paar Knochen und ein kleiner Schädel lagen, hatten sie den Eltern gegenüber nie thematisiert. Doch Ehrlinspiel war sicher, dass sie es wussten.
    Lene und Rebecca standen ganz vorn an dem offenen Grab. Beide hatten die langen blonden Haare zurückgebunden. Ehrlinspiel hatte Rebecca seit dem Abend, als er sie gerettet hatte, nicht mehr gesehen. Sie drückte die riesige Plüschmaus von ihrem Bett an die Brust. Die Mutter hatte den Arm um das Mädchen gelegt. Genauso hatten sie vorhin auch in der Kirchenbank gesessen, wo ein Trauerredner über das Menschsein und über Marius’ Liebe zu Rebecca, über Annikas Lachen und die Hoffnung gesprochen hatte. Doch auch er hatte die Tragik
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