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Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Titel: Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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»Vorhin auf der Toilette hab ich’s mal quergelesen. Ich muss schon sagen: Das, was ich da entdeckt habe, hat meine Laune geradezu beflügelt.« Scheinbar teilnahmslos schaute er über die Schulter seines Freundes an die Sandsteinmauer, wo sich gerade ein Nachtfalter niederließ.
    Diese Situation nutzte Tannenberg zu einer überfallartigen Attacke: Er sprang auf, packte sein Gegenüber am Kragen und fasste mit der rechten Hand in das Sakko hinein. »Her damit.«
    Verblüfft über diesen plötzlichen Angriff ließ Dr. Schönthaler seinen Freund widerstandslos gewähren. »Ich hab es übrigens in seinem Rucksack gefunden«, erläuterte er. »Es war hinter der Waffe in einer Innentasche versteckt.«
    Tannenberg nahm diese Sätze nicht mehr bewusst wahr, denn er war bereits mit der Lektüre des kleinen Büchleins beschäftigt.

18
    Einsatztagebuch des Soldaten John, Operation ›Zehnkampf‹, stand auf dem Buchdeckel zu lesen. Auf der Rückseite des Büchleins war ein Fadenkreuz aufgemalt. Mit roten Kreuzen waren alle Anschlagsorte auf den Koordinaten verzeichnet und mit den Zahlen 1-10 beschriftet. Quasi als Einleitung des Tagebuchs fungierte die ausführliche Biografie eines gewissen Fabian Reich. Er schilderte darin chronologisch seinen Werdegang von der Einberufung zur Bundeswehr bis hin zu seiner Entlassung aus dem aktiven Dienst vor knapp einem Jahr.
    »Der hat sich tatsächlich von dem Buch ›Die Möwe Jonathan‹ zu seinem Kampfnamen inspirieren lassen«, murmelte Tannenberg.
    Die nächsten Seiten des Tagebuchs enthielten protokollartig die Schilderungen der bislang durchgeführten Attentate nebst der dazu notwendigen Vorbereitungen. Dieser Teil endete mit einer anderen, jungmädchenhaften Schrift und bezog sich auf den fehlgeschlagenen siebten Anschlag sowie auf das Attentat auf ihn selbst, seine Flucht und die Kaperung des Linienbusses.
    »Der hat bis zuletzt genau Buch über seinen Horrortrip geführt – beziehungsweise führen lassen«, sagte Tannenberg.
    Am Ende des Tagebuchs entdeckte der Kriminalbeamte einen Anhang mit einer detaillierten Auflistung der illegalen Auslandseinsätze seiner Elitetruppe.
    »Unser Sniper war Mitglied einer strenggeheimen Spezialeinheit, die unter anderem angebliche Staatsfeinde ermordet hat.«
    »Oder mit sogenannten Präventivaktionen vermeintliche Terroristennester ausgehoben hat«, ergänzte Dr. Schönthaler.
    »Das war, beziehungsweise ist auch noch, ein von Steuergeldern finanziertes Killerkommando – unglaublich!«
    Zudem fanden sich dort Einträge über seine Gefangennahme und die wochenlangen Folterungen, die ihn nicht nur psychisch zu einem Krüppel gemacht, sondern auch sein Gesicht und seinen Körper zerstört hatten. Die durchgeführten therapeutischen Maßnahmen hatte er ebenfalls skizzenhaft notiert.
    ›Ohne Erfolg abgebrochen!‹, stand als letzter Satz darunter.
    In einem Glossar hatte Fabian Reich Namen und Funktionen einer Vielzahl von Personen aufgelistet. Zudem waren dort Kontonummern verzeichnet, die dem Anschein nach zu den Finanziers dieser Geheimaktivitäten gehörten.
    Auf der letzten Innenseite des Tagebuchs klebte ein Foto. Es zeigte einen martialisch dreinblickenden Mann im Kampfanzug. ›Mein Ausbilder: Hauptmann Peter Müller‹, stand darunter geschrieben. Das Foto war mit einem dicken roten Fadenkreuz durchgestrichen.
    »Das ist eindeutig unser angeblicher Johannes Zörntlein«, stellte Tannenberg fest.
    »Also, wenn ich solch einen blöden Allerweltsnamen hätte, würde ich mir auch einen schöneren Decknamen zulegen«, meinte Dr. Schönthaler. »Prost!«
    Der Rechtsmediziner setzte sein Weizenbierglas an die Lippen und leerte es. Gebannt starrte Tannenberg auf dessen ausgeprägten Adamsapfel, der sich bei jedem Schluck markant unter der straffen Haut auf- und abbewegte.
    »Vorne stand irgendwo, dass dieser Müller ihn zu den Therapiesitzungen bei Kronenberger begleitet hat.«
    »Ja, ich weiß, Wolf. Ich hab’s auch gelesen. Auf diese Weise hatte er ihn gut unter Kontrolle. Bis John dann alles hingeschmissen hat und untergetaucht ist.«
    Nach etwa einer Viertelstunde klappte Tannenberg das Büchlein zu und wiegte es wie einen Goldbarren in seiner Hand. »Ganz schön schwerer Tobak, kann ich da nur sagen.«
    »Beziehungsweise Sprengstoff. Falls es dir nicht bewusst sein sollte: Du hältst gerade eine scharfe Handgranate in deiner rechten Hand.«
    Tannenberg legte das Tagebuch vor sich auf den Tisch und strich sanft darüber. »Warum hast
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