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Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Titel: Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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das gut. Außerdem konnte er mit dieser Clooney-Show und seinem ›Everybodys-Darling-Gehabe‹ von seiner wahren Identität ablenken. Ist ihm ja auch prächtig gelungen. Ihr wart ja alle regelrecht hin- und hergerissen von ihm.«
    Er lachte schallend. »Eine perfekte Tarnung, das muss man neidlos anerkennen. Taucht hier in der Provinz als George Clooney auf und diese Bauerntölpel vergöttern ihn.« Er zeigte mit seinem Messer auf Tannenberg. »Mit diesem schönen Begriff meine ich übrigens unter anderem dich! Brauchst mich gar nicht so unschuldig anzuglotzen, du naiver Hornochse!«
    »Na, jetzt mach aber mal halblang!«
    »Wieso? Du hast ihn angeschmachtet wie ein pubertierender Jüngling seine erste platonische Liebe. Das war richtiggehend peinlich. Ich hab mich für dich geschämt. Aber nun bist du wohl mit deiner Naivität mal richtig auf die Schnauze gefallen. Ja, ja, mein liebes Wölfchen, Liebe macht eben blind.«
    »Ach, daher weht der Wind. Du warst eifersüchtig auf ihn.«
    Dr. Schönthaler tippte sich mit dem Finger auf die Brust. »Pah! Ich und eifersüchtig?«, stieß er höhnisch aus. »Dass ich nicht lache!«
    »Sieht aber ganz danach aus.«
    »Träum von etwas anderem! Ich hab es nun wirklich nicht nötig, mich mit einem gemeingefährlichen Verbrecher zu messen.«
    Tannenberg hatte sich derart in dieses kleine Scharmützel hineingesteigert, dass es eine Weile seine trüben Gedanken verscheuchte. Doch aufgrund dieser Bemerkung verdüsterte sich seine Miene wieder schlagartig.
    Natürlich registrierte sein bester Freund diesen Stimmungswandel. Er räusperte sich und richtete mit ruhiger Hand seine schwarz-weiß-gepunktete Fliege aus. Wie stets trug er einen Anzug mit Weste und dem obligatorischen Propeller, wie Tannenberg sein Markenzeichen gerne nannte. Danach spreizte er beide Hände und drückte sie so fest auf seine linke Brust, dass sich unter dem grauen Stoff seines Sakkos ein rechteckiger, größerer Gegenstand abzeichnete. Er wies mit dem Kinn darauf und fragte: »Was glaubst du wohl, was das hier ist?«
    Sein Gegenüber schob die Unterlippe vor und kehrte die Handflächen nach außen. »Ein Zigarettenetui?«
    »Dödel! Hab ich vielleicht angefangen zu rauchen? Nee, da steckt etwas ganz anderes drin: Ein Tagebuch.«
    »Ein Tagebuch? Schreibst du etwa schon an deinen Memoiren?«
    Dr. Schönthaler lachte auf. »Gute Idee! Stoff genug dazu hätte ich ja nun wahrlich.« Als er die Bedienung entdeckte, orderte er geschwind zwei Hefeweizen nebst dem dazugehörigen destillierten Geist der Mirabellen. »Den Schnaps braucht mein Freund nämlich jetzt gleich«, posaunte er lauthals hinaus.
    »Hat er zu viel gegessen?«, fragte die kräftige Frau.
    »Eher das Gegenteil.«
    Mit dieser merkwürdigen Antwort wusste die Bedienung offensichtlich nichts anzufangen, denn sie verschwand kopfschüttelnd im Innern der Gastwirtschaft.
    Wie bei einem Anfall von Patriotismus legte Dr. Schönthaler seine rechte Hand auf die linke Brust und verkündete mit abgesenkter Stimme: »Direkt über meinem Herzen bewahre ich etwas ungemein Wertvolles auf, nämlich das Vermächtnis eines gewissen Fabian Reich.«
    Tannenberg legte verblüfft die Stirn in Falten. »Fabian Reich?«
    »Kampfname: John.«
    »Was, du hast sein Tagebuch? Wo hast du das her?« Der Kriminalbeamte klatschte sich an die Stirn. »Logo, aus dem Bus. Du hast es ihm abgenommen, als du alleine mit ihm warst.«
    »Nicht ab -genommen, sondern an-mich -genommen«, korrigierte sein Gegenüber. »Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied.«
    Obwohl Tannenberg das Wortspiel nicht recht verstand, fragte er nicht nach, sondern streckte fordernd die Hand aus. »Los, gib’s mir!«
    Der Gerichtsmediziner verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. »Nichts da, wir haben Zeit. Wir warten, bis wir unsere Bellis haben.«
    Zähneknirschend akzeptierte Tannenberg die klare Ansage. Ungeduldig trippelte er mit den Füßen auf der Stelle, während seine Finger am Saum der Tischdecke herumspielten. Doch es dauerte nicht mehr lange und die Bedienung kehrte in den Biergarten zurück.
    »Auf uns beide!«, ließ Dr. Schönthaler den ritualisierten Trinkspruch der beiden verlauten. Die eiskalten Schnapsgläser stießen mit einem hellen Klirren aneinander.
    »Ach, deshalb bist du die ganze Zeit über schon so gut drauf.«
    »Du hast es erfasst, mein alter Junge.«
    »Und was steht drin? Lass es mich jetzt endlich lesen.«
    Rainer Schönthaler kam seinem Wunsch noch immer nicht nach.
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