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Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall

Titel: Zehnkampf: Tannenbergs zehnter Fall
Autoren: Bernd Franzinger
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Athleten ließen alles stehen und liegen und brachten sich in Sicherheit. Tannenberg verständigte zuerst den Notarzt, anschließend seine Kollegen. Zudem forderte er das Sondereinsatzkommando an.
    »Wir müssen runter zu ihm. Vielleicht ist er ja nur verletzt«, raunte er atemlos Dr. Schönthaler zu, obwohl er intuitiv das Schlimmste befürchtete.
    Er wollte losstürmen, doch der Rechtsmediziner packte ihn am Ärmel. »Wolf, das ist zu gefährlich. Wir nehmen dein Auto und benutzen es als Schutzschild.«
    Die beiden Männer spurteten zu Tannenbergs BMW-Cabrio und rasten in das kleine Stadion, das ansonsten als Schul-Sportplatz genutzt wurde. Mit eingezogenen Köpfen bretterten sie über den gepflegten Rasen hinweg. Das Auto schlitterte, riss einen Sonnenschirm aus der Verankerung und warf mehrere Markierungshütchen um. Tannenberg stellte sein Auto parallel zur Ziellinie ab. Dadurch wurde der leblose Sportlerkörper wie von einem Wall geschützt. Über die Fahrertür krochen beide hintereinander auf die Tartanbahn und knieten sich neben Marcel nieder.
    Der junge Mann lag mit verdrehten Gliedmaßen auf dem Bauch, den Kopf zur Tribüne hin abgewinkelt. In Höhe des linken Lungenflügels war das Trikot bereits blutgetränkt. Ziemlich genau in der Mitte des ovalen Blutflecks zeichnete sich das Einschussloch ab.
    »Komm, hilf mir ihn umzudrehen«, forderte Dr. Schönthaler, während er erfolglos nach dem Puls des Sportlers tastete. Als er exakt in Herzhöhe die Austrittsstelle des Projektils entdeckte, wiegte er mit zusammengepressten Lippen den Kopf hin und her.
    »Scheiße«, zischte Tannenberg.
    Er lugte durch die Seitenscheibe seines Cabrios hinüber zum Waldrand, von wo aus der Schuss abgefeuert worden sein musste. Dessen war er sich sicher, zu eindeutig waren die Indizien: Die Eintrittsstelle des Projektils auf dem Rücken des Opfers und dessen abrupte Oberkörperdehnung nach hinten, so als ob Marcel Christmann einen unerwarteten, brachialen Keulenhieb auf die Wirbelsäule erhalten hätte.
    »Glaubst du, der ist noch irgendwo dahinten?«, raunte der Kriminalbeamte seinem Freund über die Schulter zu.
    »Nee, der ist garantiert schon über alle Berge.«
    Tannenberg wies mit dem Kinn auf den Toten. »Warum ausgerechnet dieser arme Kerl hier?«, fragte er mit belegter Stimme.
    Merkwürdigerweise wurde ihm erst jetzt bewusst, dass die todbringende Gewehrkugel nur einen halben Meter neben seinem Neffen eingeschlagen war. Ein kalter Schauder jagte ihm den Rücken hinunter und ließ auf seinen nackten Armen Gänsehaut sprießen. Sein flackernder Blick huschte die Anhöhe hinauf zu Tobias, der im Kreis seiner Familie hinter den Flachdachgebäuden stand und zu ihm herüberschaute.
    Vom Waldschlösschen her ertönte plötzlich Sirenengeheul, das schnell anschwoll. Nur wenig später preschte ein Notarztwagen ins Stadion. Ein paar Minuten später folgten das SEK, die Spurensicherung und mehrere Streifenwagen. Wolfram Tannenberg schilderte seinen Kollegen die dramatischen Ereignisse. Daraufhin fuhren die Sondereinsatzkräfte zum angrenzenden Wald, von wo aus aller Wahrscheinlichkeit nach der tödliche Schuss abgegeben worden war.
    Anschließend eilte Tannenberg hinüber zu den Zuschauern, die sich nach wie vor hinter den Garagenbauten aufhielten. Er winkte seinen Neffen herbei und befragte ihn über dessen ermordeten Sportkameraden. Tobias war kreidebleich, zitterte und war noch immer nicht in der Lage, einen zusammenhängenden Satz zu formulieren.
    Seine dürftigen Informationen halfen kaum weiter. Außer dem Namen des Toten und dem des Sportvereins, für den Marcel Christmann startete, konnte er keine weiteren Angaben zu dessen persönlichen Verhältnissen machen. Marcel sei normalerweise ein stiller, introvertierter, aber trotzdem sehr netter Kumpel gewesen.
    »Nur vor und während der Wettkämpfe war er immer ziemlich hektisch und nervös«, sagte Tobias und fügte nach einem langen Stoßseufzer hinzu: »Manchmal war er sogar richtig geschwätzig.« Dabei schwammen seine Augen regelrecht in Tränen.
    Der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission erkundigte sich anschließend bei den Zuschauern, ob irgendjemand eine sachdienliche Beobachtung gemacht habe. Doch er erntete lediglich stummes Kopfschütteln. Wie er selbst hatten offenbar alle Anwesenden gebannt den 100-Meter-Lauf verfolgt. Er wandte sich von den Zuschauern ab, blickte hinunter auf die Tartanbahn und ging in sich gekehrt ein paar Schritte in Richtung des
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