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Zehn Mythen der Krise

Zehn Mythen der Krise

Titel: Zehn Mythen der Krise
Autoren: Heiner Flassbeck
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Richtung bewegen und (vermutlich effizienter als jedes zentral geplante System) Technologien entwickeln, die helfen, die individuellen Wünsche der Menschen und die ökologischen Notwendigkeiten des natürlichen Systems bestmöglich miteinander in Einklang bringen. Das wird aber mit Sicherheit dann nicht gelingen, wenn man den Ölpreis, wie das derzeit der Fall ist, der Spekulation an den Finanzmärkten überlässt.

MYTHOS VIII:
Die Notenbanken inflationieren die Wirtschaft, um die Staaten zu retten
    Die immer neuen Goldpreis-Rekorde im Sommer 2011 haben gezeigt, wie viele Menschen einem populären Dogma anheimgefallen sind, für das es eigentlich keinerlei vernünftige Gründe gibt. Dieses Dogma ist der Monetarismus, die Lehre also, die sagt, Inflation sei immer die Folge von zu viel Geld. Das wird von vielen schon gar nicht mehr als Dogma wahrgenommen, weil man es für eine schlichte Tatsache hält. Dennoch ist die Begründung für diese Tatsache mehr als zweifelhaft. Sie beruht nämlich nur auf dem einfachen und nicht zu bestreitenden Zusammenhang, dass eine Inflation immer nur dann entstehen kann, wenn eine Zentralbank bereit ist, sie zu finanzieren. Diesen Satz kann man durchaus für richtig halten, aber was sagt er wirklich aus? Wenn man behauptete, die Ursache für zu schnelles Fahren und die Unfälle, die sich daraus ergeben, sei in der Tatsache begründet, dass man den Fahrern ein Auto zur Verfügung gestellt hat, wird das kaum ein vernünftiger Mensch akzeptieren. Er wird zwar zugegeben, dass die Existenz des Autos eine notwendige Bedingung für die Unfälle war. Aber er wird auch sagen, dass die Existenz eines Autos nicht zwingend zu einem Unfall führt, so dass es regelmäßig falsch oder zumindest irrelevant ist zu behaupten, es sei die Existenz des Autos gewesen, die für den Unfall verantwortlich war.
    So ist es mit dem Geld und der Inflation. Geld ist die notwendige, aber keineswegs die hinreichende Bedingung. Selbst wenn der Satz über die Finanzierung von Inflation richtig ist, folgt daraus nicht, dass immer dann, wenn es in irgendeinem Sinn »viel Geld« gibt (»zu viel Geld« ist überhaupt keine sinnvolle Aussage, es ist eine Tautologie, also eine Aussage, die sich selbst bestätigt, weil sie nichts anderes zulässt, als den von ihr beschriebenen Zusammenhang), eine Inflation die Folge ist. Den Monetaristen ist es mit diesem semantischen Trick und dem Verstoß gegen einen zentralen Satz der Logik jedoch gelungen, der großen Mehrheit der Ökonomen und der Mehrzahl der normalen Bürger weiszumachen, man müsse einfach mehr Geld ins System geben, und schon spränge die Inflation hinter dem nächsten Busch hervor. Folglich wäre es für die Staaten ein Leichtes, mit ein wenig mehr Geld eine Inflation zu erzeugen, die dann die staatlichen Schulden automatisch verkleinert. Weit gefehlt. Japan hat genau das in den letzten zwanzig Jahren mit allen erdenklichen Mitteln versucht, und das Ergebnis ist: Deflation. In Europa versuchen alle Länder gerade, ihre Wirtschaftsprobleme über Lohnsenkungen zu lösen. Das Ergebnis wird Deflation sein, ganz gleich, wie viel Geld die Notenbanken gleichzeitig ins System pumpen.
    Inflation hat jenseits des monetaristischen Dogmas genau zwei Ursachen bzw. eine Kombination aus beiden: hohe Nachfrage oder stark steigende Kosten. Beides können Zentralbanken initiieren, wenn es ihnen gelingt, die Konjunktur anzuregen und eine Situation stark steigender Nachfrage und stark steigender Löhne zu schaffen. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, gibt es keine Inflation. Und weil die Welt unglaublich weit weg ist von einer solchen Lage, sollte Inflation eigentlich kein Thema sein. Weil aber die herrschende Lehre der Ökonomen das Dogma der unabhängigen Zentralbank braucht, kann sie den populären Vorurteilen nicht entgegentreten, denn sie muss ja die Tatsache beklagen, dass die Zentralbank – wegen der unlösbaren wirtschaftlichen Probleme – in politische Abhängigkeit gerät. Und da passt die Inflationsgefahr besser als jedes andere Thema, selbst wenn sie keinerlei sachliche Grundlage hat.

MYTHOS IX:
Deutschland wird zum Zahlmeister Europas
    Das Verständnis oder besser: das mangelnde Verständnis, das die Politik und das breite Publikum von einer modernen Marktwirtschaft haben, ist, wie oben schon ansatzweise erläutert, auch dem Euro zum Verhängnis geworden. In dem jetzt beginnenden letzten Akt des Dramas wird das mangelnde Verständnis der Bedingungen einer
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