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Zehn Mythen der Krise

Zehn Mythen der Krise

Titel: Zehn Mythen der Krise
Autoren: Heiner Flassbeck
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Geldwirtschaft dem Euro den Todesstoß versetzen – wenn nicht ein Wunder geschieht. Deutschland hat sich in seine vermeintliche Rolle als Zahlmeister für »faule« Südeuropäer inzwischen dermaßen hineingesteigert, dass nicht zu erkennen ist, wie man ohne gewaltigen wirtschaftlichen Schaden aus dieser Misere herauskommen will.
    Der letzte Akt hat drei Szenen. In der ersten sehen die Deutschen die Rolle der europäischen Zentralbank als Stabilitätswächter unterhöhlt, weil diese der ganz normalen Aufgabe einer Notenbank nachkommt, nämlich der, »lender of last resort« zu sein. In der zweiten nimmt Deutschland seine eigene Solidität als gefährdet wahr, weil es »unsolide Staaten« unterstützen muss. In der dritten schließlich verlangt Deutschland von den anderen Ländern eine »Germanisierung« ihrer Wirtschaftspolitik, was scheitern muss, weil nur einer das grundlegende Missverständnis über die Bedeutung einer Währungsunion ausnutzen kann – und auch das nur einmal.
    Gute deutsche Notenbanker verlassen die Europäische Zen-tralbank, die droht von einem Ort verlässlichen geldpolitischen Handelns im Sinne der Deutschen Bundesbank zu einem Hort unsoliden und am Ende inflationären Krisenmanagements zu werden. So klang es in vielen deutschen Medien, als nacheinander Axel Weber und Jürgen Stark in Frankfurt die Segel strichen, weil sie offenbar für ihre Position im Rat der EZB keine Mehrheit mehr finden konnten. Die Sachlage ist anders. Griechenland und alle übrigen Länder, die noch in Schwierigkeiten geraten könnten, haben als Mitglieder der Eurozone natürlich Anspruch darauf, dass ihnen die Europäische Zentralbank in einer Notlage mit direkten Interventionen in die Märkte und damit als lender of last resort zur Seite springt. Dass diese Selbstverständlichkeit in der EWU erst in einem schmerzhaften und für die Südeuropäer entwürdigenden politischen Prozess umgesetzt wurde, wird als ein großes Versagen der europäischen Institutionen in die Geschichte eingehen. Hätte man rechtzeitig interveniert, wäre der Zins niemals so hoch gestiegen, dass vor allem Griechenlands Glaubwürdigkeit im Hinblick auf die Chancen zur Konsolidierung von Anfang an als verloren gelten musste.
    Aber schon lange vor der Rettung durch die Zentralbank fielen die Geier des Boulevards über das Land her, und viele Ökonomen sangen das Lied vom Bankrott, ohne zu wissen, was sie taten. In der geifernden Wut der Rechten über die »Griechen« und andere »Sünder« oder in der beleidigten Attitüde der Linken angesichts der »ungeschoren davonkommenden Gläubiger« ging allerdings ein einfacher Zusammenhang unter: Die Gläubiger von Staaten sind nämlich in der Regel eben gerade keine Spekulanten. Wer bis Oktober 2009 griechische Staatsanleihen kaufte, wollte sein Geld auf diesem Weg fest anlegen und hat auch keine extrem hohen Zinsen kassiert. Im Gegenteil: Er hat durch die bald einsetzenden Spekulationen bereits Geld verloren, weil der Wert seiner Anleihen deutlich gesunken ist.
    Dass das nicht jeder Bürger weiß, ist allein der Unsitte zu verdanken, dass »moderne« Banken dem Publikum Staatsanleihen äußerst selten und äußerst ungern direkt anbieten und verkaufen. Stattdessen halten sie die Anleihen selbst und konstruieren – natürlich auf der Basis dieser Staatsanleihen –, »sichere« Produkte, die dann dem Publikum offeriert werden. Folglich sagt aber die Tatsache, dass bei Banken viele Staatsanleihen in den Büchern stehen, nichts darüber aus, wer bei einem Ausfall am Ende wirklich in Mitleidenschaft gezogen werden wird. In einer Situation, in der viele »Banken« wegen ihrer Kasinogeschäfte einmal mehr in Schwierigkeiten stecken, wäre der Ausfall auch nur eines Staates ein enormes Risiko und müsste – absurderweise – wiederum die Staaten als Retter auf den Plan rufen, wie das in der Tat in Brüssel Ende Oktober trotz der »freiwilligen« Beteiligung der Banken an der Rettung Griechenlands schon beschlossen wurde. Auch für die Bürger und Kleinsparer wäre der Ausfall ihres eigenen Staates ein gewaltiger Schock, der mit großer Sicherheit Panikreaktionen nach sich zöge, die wiederum eine staatliche oder überstaatliche Bankenrettung erforderlich machen würden.
    Dass es für keinen Staat der Welt eine kurzfristige Überbrückungslösung geben kann, wenn die Zentralbank nicht in die Lage versetzt wird, ihre wichtigste Rolle zu spielen, muss in Deutschland erst noch gelernt werden. Wenn Deutschland
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