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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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schoss dem Ziegenbock eine Kugel ins Auge. So oder so, er war wieder da. Der stinkende Abfall, der tote Ziegenbock, wie sich der Colt in seiner Hand anfühlte, das alles bestätigte ihn darin, jedenfalls so weit, dass er an dem mexikanischen Jungen vorbeistolperte, der in der Hocke rückwärts kroch, als hätte er ein Gespenst gesehen.
    Er ging auf wackligen Beinen durch die ausgestorbene Straße auf die Cantina zu. Durch das Stöhnen des Windes hörte er die leisen Klavierklänge.
    Die Postkutsche war weg. Sein Pferd war nicht dort, wo er es angebunden hatte, also bestieg er das erste, auf das er stieß. Bevor er losreiten konnte, kam der O-Beinige durch die Pendeltür gestolpert, um zu pinkeln, was ein mühsames Unterfangen war, weil er einen Arm in einer Schlinge trug.
    Erschrocken schaute er zu Zebulon hoch. »Ich hätt schwören können, du bist tot, aber jetzt sitzt du da auf meinem Pferd. Hör zu. Es war eine lange Nacht, und ich hab nicht mitgekriegt, was da gewesen ist. Aber ich hab nicht auf dich geschossen. Ich hab’s versucht, das schon. Sicher. Aber mich hat’s erwischt, bevor ich dich umlegen konnte. Das könnte diese Hure gewesen sein, die, die den Straight Flush aufgedeckt hat. Sie und der Ausländer, dem sie gehört. Mein Wort drauf, die sind ein teuflisches Pärchen, die zwei. Raffinierter als dreiköpfige Schlangen. Wie die das letzte Spiel gewonnen hat, da war auf einmal die Hölle los. Soweit ich das mitgekriegt hab. Wie gesagt, ich war nicht gerade in Hochform.«
    Die verwirrten, trüben Augen des Mannes erinnerten Zebulon an den Ziegenbock.
    »Ich nehm mir dein Pferd«, sagte Zebulon, »als Entschädigung. Und vielleicht schieß ich dir noch deinen Abzugsfinger weg, dafür, dass du versuchst hast, mir das Licht auszublasen.«
    Der O-Beinige schaute zu dem Saloon zurück, aus dem die zwei Huren ihn durch das kaputte Fenster auslachten. Von denen war keine Hilfe zu erwarten.
    Seine Hand zitterte, als er die Pistole hob. »Niemand nimmt mir ein Pferd weg oder denkt auch nur dran. Und ich war’s nicht. Entweder der Ausländer war’s oder einer von den Vaqueros oder den Rancharbeitern am Billardtisch. Oder dieses Halbblut. Hatchet Jack. Frag ihn. Er sitzt da drin. Ich kann einen Verlust verkraften.
Verloren
ist mein zweiter Vorname. Verloren und nie wiedergefunden. Wenn du mir nicht glaubst, können wir’s gleich hier und jetzt erledigen.«
    »Wie du willst«, sagte Zebulon. »Aber wenn du mich schon hinterrücks abknallst, pack wenigstens vorher deinen Pimmel weg.«
    Er saß ab und ging an ihm vorbei in die Cantina, ohne sich um seine Reaktion zu kümmern.
    »Ich kapier das nicht«, sagte der O-Beinige zu den beiden Huren. »Der Kerl ist von den Toten auferstanden. Was soll ich machen, ihn nochmal direkt zur Hölle schicken?«
    In der Cantina erinnerten nur dunkle Flecken auf dem Boden, ein paar zertrümmerte Stühle und eine kaputte Fensterscheibe an die Schießerei.
    Hatchet Jack saß mit verbundenem Kopf am Tresen.
    Zebulon schob dem Barkeeper Hatchet Jacks Geld hin und zeigte auf eine Flasche Taos White Lightning.
    »Ein selten trübes Nest hier«, sagte Hatchet Jack. »Schauen wir besser, dass wir möglichst schnell weiterkommen.«
    »Wer hat auf mich geschossen?«, fragte Zebulon.
    »Erinnerst du dich nicht?« Hatchet Jack rollte ein Schnapsglas zwischen seinen Handflächen. »Wie ich an den Tresen bin, hat jemand, ich weiß nicht mehr wer, gesagt, die Frau hätte von der Unterseite ausgeteilt und so mit der Herzkönigin ihren Straight Flush vollgemacht, gegen dein Full House. Oder vielleicht war’s auch umgekehrt. Ein paar Kerle sind reingekommen, aber ich war zu sauer und zu besoffen, um hinzuschauen. Im nächsten Moment schlägt mich einer bewusstlos. Wie ich wieder zu mir komm, bist du weg, und ich bin rauf und hab meinen Rausch ausgeschlafen. Keine Ahnung, was sonst noch war. Wen interessiert’s! Wir mischen noch mit. Im Gegensatz zu manchen anderen.«
    »Hast du was gesehen?«, fragte Zebulon den Barkeeper, einen untersetzten Mann mit einem Schnauzer und breiten roten Hosenträgern.
    »Null«, antwortete er. »Ich war draußen, hab Nachschub geholt, Whiskey. Wie ich wieder reinkomm, war alles vorbei und keiner mehr da. Ich weiß nichts mehr. Mann, das war vorletzte Nacht.«
    »In zwei Nächten kann viel passieren«, sagte Hatchet Jack. »Oder in einer. Oder in keiner.«
    »Du bist schon zwei Nächte hier?«, fragte Zebulon.
    Hatchet Jack schenkte sich einen Schluck Whiskey ein.
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