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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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Rabatte erlaubt. Das sagt einer, der kommt und schon gegangen ist und trotzdem bereit ist, wiederzukommen.«
    »Sie sind doch schon völlig weggetreten, Graf«, sagte der Postkutscher. »Das seh ich Ihnen an.«
    »So würde ich es nicht nennen, mein Freund«, erwiderte Ivan. »Es ist mehr der Blick aus der Grube der Finsternis in den Schrecken des endlosen Raums. Das passiert am Ende einer langen Nacht, wenn man gelangweilt und töricht genug ist, die Zügel der Beherrschung schleifen zu lassen.«
    »Und ich sage, Sie bluffen.« Hatchet Jack schob sein Geld in die Tischmitte.
    »Ich bluffe, meinen Sie? Na, na, na.« Ivan stellte zwanzig Goldadler neben Jacks Einsatz. »Was ist das Leben anderes als ein einziger Bluff? Ich sehe Ihren Call und erhöhe auf hundert Silberdollar.«
    Als Delilah und Zebulon mit Ivans Erhöhung mitgingen, warf Hatchet Jack seine Karten hin und trat an den Tresen.
    Delilah teilte die letzten Karten mit dem Bild nach unten aus, und dabei bemerkte Zebulon, dass ein Zittern ihren Ärmel herab bis in ihre Fingerspitzen lief.
    Ivan deckte drei Asse auf.
    Der Postkutscher deckte eine Pikzehn auf, zusätzlich zu den beiden Zehnen, die schon auf dem Tisch lagen.
    Delilah brachte eine Herzdame zum Vorschein und vervollständigte damit einen Straight Flush gegen Zebulons Full House.
    Während sie den größten Pot des Abends einsammelte, torkelte der O-Beinige auf Zebulon zu und schwenkte seine Pistole. »Ich kann mich genau an dich erinnern. Du bist der Abschaum aus den Bergen, der mir in Galisteo meinen Braunen geklaut hat. Du und dieses Halbblut.«
    »Bin nie in Galisteo gewesen«, sagte Zebulon und griff nach seiner Pistole.
    Bevor einer von beiden abdrücken konnte, zerschoss jemand von der anderen Seite des Raums aus zwei Gaslampen und eine Fensterscheibe.
    Das Letzte, was Zebulon noch registrierte, bevor er zusammenbrach, war, dass er aus der Cantina stolperte und die Straße hinuntergehen wollte.

Z EBULON SAH NICHT DIE S TERNE , die wie silberne Feuerstöße aus einem Gewehr über den Himmel schossen, auch nicht den Ziegenbock, der neben ihm Abfälle fraß, oder den mexikanischen Jungen, der auf der Kante des Arroyos hockte und darauf wartete, ihm die Stiefel zu stehlen.
    »Quién es?«
    Er drehte sich auf den Rücken, sein Kopf dröhnte, als sei er in einer riesigen Kirchenglocke eingeschlossen.
    »Quién es?«
, wiederholte der Junge.
    Ja, wer war er eigentlich? Und wo war er? Und wohin wollte er? Er setzte sich auf und wischte sich das getrocknete Blut aus den Augen. Neben ihm lag ein Mann, umgeben von zerschmissenen Flaschen und Resten von verdorbenem Fleisch. Der Mann hatte ein Loch in der Stirn, und sein verfilztes blondes Haar fiel ihm in blutigen Strähnen übers Gesicht. Zebulon sah genauer hin. Irgendetwas kam ihm bekannt vor an den mit Fransen besetzten Hirschlederhosen, den zerrissenen Mokassins und daran, dass er in einer Hand die Herzdame hielt. Zebulon sah zu, wie eine Fliege über die Wange des Mannes kroch. Es war eine lange Reise, so wie die Fliege krabbelte, stehen blieb, dann weiterkrabbelte. Vom Leben zum Tod, dachte er, und wieder zurück. Und wie ging es ihm auf seiner Reise? War er tot oder lebendig, oder war er zwischen beiden Welten gefangen wie ein Blinder? Er schloss die Augen, und als er sie wieder aufmachte, war der Mann nicht mehr da.
    Er erinnerte sich an ein Full House und eine Herzdame, einen Schuss, dem weitere Schüsse folgten, und wie er dann aus der Cantina getaumelt und kopfüber in den Arroyo gefallen war. Er holte tief Luft. Er war nicht tot. Nicht dass es so schlimm gewesen wäre, tot zu sein, so wie es in letzter Zeit gelaufen war.
    Das Kauen des Ziegenbocks ließ ihn an seinen Pa denken. Vielleicht war es auch der Geruch nach altem Urin. Wenn der Mistkerl noch lebte, würden er und Ma gerade ihre Winterfelle für den Verkauf herrichten. Er müsste zu ihnen reiten und helfen. Immer noch besser, als in diesem Nest zu versauern, bei den alt gewordenen Banditen und zweitklassigen Falschspielern, von denen ihn einer hatte umlegen wollen. Oder war das zu einer anderen Zeit in einer anderen Stadt gewesen?
    »Quién es?«
, fragte der Junge.
    Auf dem Weg ins Nirgendwo, seit er vor fünf Jahren seine Familie in den Sangre de Cristo Mountains verlassen hatte. Der Ziegenbock kam näher und sah dummdreist auf ihn herab, als wollte er ihn daran erinnern, dass seine Zeit abgelaufen war. »Nichts da«, murmelte er. Noch nicht. Sicherheitshalber hob er den Colt und
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