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Zebulon

Zebulon

Titel: Zebulon
Autoren: Rudolph Wurlitzer
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Zurück gab zu dem, was nicht mehr existierte. Der Ziegenbock kam näher und schaute ruhig auf ihn hinab, als wollte er ihn daran erinnern, dass seine Uhr abgelaufen war, dass es für ihn an der Zeit war, sich mit dieser Tatsache abzufinden. Er machte sich nicht die Mühe, nach seinem Colt zu greifen, sondern rappelte sich auf und kroch die Böschung hinauf, auf den Jungen zu, der die Straße hinunterlief und lachte und lachte, obwohl er so tat, als sei ein Geist hinter ihm her.

Z EBULON GING AUF DEN S ALOON ZU , vor dem Large Marge allein am Ende der Veranda saß, eine Pfeife rauchte und aus einer fast leeren Flasche Screech trank. In der Morgensonne hatte sich der Nebel größtenteils aufgelöst, und der Saloon lag in milchigem Licht. Die Tür war mit zwei Brettern vernagelt, und auf einer Seite stand in großen roten Lettern GESCHLOSSEN . Er schaute durch eines der kaputten Fenster hinein. Nur zwei geborstene Lampen, ein Einschussloch im Klavier und ein weiteres im Auge eines Elchs erinnerten daran, dass es eine Schießerei gegeben hatte.
    Er setzte sich zu Large Marge auf die Bank. Sie war nicht überrascht, ihn zu sehen.
    »Die haben mir gesagt, du wärst tot«, sagte sie. »Hab ich natürlich nicht geglaubt. Das sagen immer alle, seit ich das Pech hatte, dir zu begegnen. Bei Hatchet Jack liegen die Dinge anders.«
    »Wer hat ihn erschossen?«
    »Weißt du das nicht mehr?«
    »Ich weiß noch, dass ich einen Straight Flush mit Dame hatte und Hatchet ein Full House. Dann ist ein Schuss gefallen. Vielleicht auch zwei. Eine Lampe ging in die Brüche. Sonst nichts.«
    »Du hast auf keinen geschossen?«
    »Schon möglich, doch. Es war wie in einem Traum.«
    »Ist das denn nicht dasselbe wie die Wirklichkeit?«, fragte Large Marge. »In letzter Zeit sehe ich das Leben immer öfter so – als einen verdammten Traum nach dem anderen.«
    Large Marge seufzte und schaute über den Hafen, wo der letzte Nebelstreif über dem Horizont stand.
    »Als ich die Schüsse gehört hab, bin ich vorsichtig die Treppe runter. Wär ja blöd, sich wegen einem Kartenspiel eine Kugel einzufangen. Wie ich in den Raum komme, ist alles finster. Eine von den Nutten hat hinter dem Tresen gekniet und einen Anfall gehabt. Wie ich sie nach dir gefragt habe, hat sie gesagt, du hättest dir mit Hatchet Jack eine Schießerei geliefert. Keiner hatte genau mitgekriegt, was passiert war. Der Barkeeper hat gemeint, Hatchet hat auf den O-Beinigen geschossen, wie der reingekommen ist, weil er scharf auf die Belohnung war, und dann hat jemand auf dich geschossen, wie du hinter Hatchet zur Tür raus bist, oder vielleicht auch umgekehrt. Einer von den Russkis hat gesagt, du hast auf Hatchet geschossen, aber der Klavierspieler meint, es war Delilah – die hätte den Revolver vom Boden aufgehoben und auf dich geschossen und wär dann Hatchet nach. Alles ist so schnell gegangen, dass keiner richtig mitgekriegt hat, wer wem was getan hat.«
    Sie seufzte und trank den letzten Schluck Screech. »Ich hab immer gewusst, dass ihr eines Tages aufeinander losgehen würdet. Schwachköpfe aus den Bergen. Das macht ihr doch alle. Schießt euch gegenseitig direkt in die Hölle. Jetzt ist das ganze Haus zu, und alle haben Schiss. Sieht aus, als wärst du davongekommen, du Mistkerl.«
    »Und Delilah?«, fragte er.
    »Die ist mit der
Rhinelander
auf und davon. Man würde meinen, sie hätte sich wenigstens die Zeit genommen nachzusehen, ob du tot bist oder nicht. Aber wahrscheinlich hat sie’s auch so gewusst, die alte Hexe. Jedenfalls hat sie sich das ganze Geld von dem Pokerspiel gekrallt und damit ihre Schiffspassage bezahlt.«
    Zebulon riss die Bretter von der Tür ab und ging in den Saloon und zum Billardtisch. Er nahm sich ein Queue und stieß ein paar Kugeln herum, nur um zu sehen, ob er es noch konnte.
    Als er nach einer Stunde immer noch nicht wieder herausgekommen war, spähte Large Marge durchs Fenster hinein. Von Zebulon war nichts zu sehen, und sie hatte auch nicht den Mut nachzusehen, was mit ihm passiert war. So wie es in letzter Zeit gelaufen war, hielt sie es für möglich, dass sie sich alles nur eingebildet hatte und dass er gar nicht dagewesen war.
    Sie erzählte niemandem, dass sie Zebulon auf der Veranda gesehen hatte, weil sie wenigstens diesen Teil der Legende für sich behalten wollte, wenn auch nur aus reiner Sentimentalität.

A LS DER G EFÄNGNISDIREKTOR eine Woche später mit dem Sheriff, dem Fotografen und einem halben Dutzend Soldaten vor dem
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