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Zaubersommer in Friday Harbor

Zaubersommer in Friday Harbor

Titel: Zaubersommer in Friday Harbor
Autoren: Lisa Kleypas
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und forderte ihn mit spöttischer Geste auf, vorzugehen. „Lassen Sie
sich durch mich nicht aufhalten.
    Der Blick
des Fremden fiel auf ihre blutende Hand. Bei dem Sturz hatte ein scharfkantiger
Stein ihr einen tiefen Schnitt in die Handfläche beigebracht. Der Mann runzelte
die Stirn. „In meinem Wagen habe ich einen Erste-Hilfe-Kasten.”
    „Das ist
nicht der Rede wert”, wiegelte Lucy ab, obwohl die Schnittwunde ziemlich
schmerzte. Sie wischte sich das Blut an ihrer Jeans ab. „Mir geht es gut.”
    „Drücken
Sie die Stelle mit der anderen Hand zusammen”, sagte der Mann. Mit
schmalen Lippen musterte er sie. „Ich begleite Sie nach oben.”
    „Warum?”
    „Für den
Fall, dass Sie noch mal stürzen.”
    „Werde ich
nicht.”
    „Der Pfad
ist steil, und soweit ich das beurteilen kann, sind Sie nicht allzu
trittsicher.”
    Lucy lachte
ungläubig auf. „Sie sind ja wohl ... Ich ... verdammt, ich kenne Sie nicht
einmal.”
    „Sam Nolan.
Ich wohne an der False Bay.” Er hielt inne, als ein Blitz den Himmel
zerriss und grollender Donner folgte. „Wir müssen uns beeilen.”
    „An Ihrer
Sozialkompetenz sollten Sie unbedingt arbeiten”, meinte Lucy. Aber sie
protestierte nicht länger, als er sie auf dem unwegsamen Pfad begleitete.
    „Nicht
trödeln, Renfield”, forderte Sam die Bulldogge auf, die ihnen keuchend und
schnaufend folgte.
    „Leben Sie
ständig auf der Insel?”, fragte Lucy.
    „Ja. Hier
geboren und aufgewachsen. Und Sie?”
    „Seit ein
paar Jahren.” Finster fügte sie hinzu: „Aber vielleicht ziehe ich bald
weg.”
    „Neue
Arbeitsstelle?”
    „Nein.”
Normalerweise gab Lucy nicht allzu viel über ihr Privatleben preis, aber aus
einem Impuls heraus wurde sie offener. „Mein Freund hat gerade mit mir Schluss
gemacht”, erklärte sie freimütig.
    Sam warf
ihr einen Blick von der Seite zu. „Heute?”
    „Vor etwa
einer Stunde.”
    „Sicher,
dass es vorbei ist? Vielleicht war es nur ein Streit.”
    „Ganz sicher. Er
hat mich betrogen”, gab sie zu.
    „Na dann – seien Sie froh, dass Sie ihn los sind.”
    „Sie wollen
ihn gar nicht verteidigen?”
    „Warum
sollte ich so einen Typen verteidigen wollen?”, fragte er zurück.
    „Weil er
ein Mann ist, und offensichtlich können Männer nicht anders. Sie müssen
betrügen. Das liegt in ihrer Natur. Sozusagen ein biologischer Zwang.”
    „Quatsch
mit Soße. Ein echter Mann betrügt nicht. Wenn man zu neuen Ufern aufbrechen
will, macht man vorher mit seiner alten Flamme Schluss. Ohne Ausnahme.”
Schweigend folgten sie weiter dem Pfad. Schwere Regentropfen begannen zu
fallen, und bald prasselte ein Gewitterschauer auf sie nieder.
    „Wir
haben's fast geschafft”, rief Sam schließlich und versuchte, das Rauschen
zu übertönen. „Blutet Ihre Hand noch?”
    Vorsichtig
löste Lucy ihre Finger von der Wunde und betrachtete den Schnitt. „Nicht mehr
so stark.”
    „Wenn es nicht bald aufhört, zu
bluten, muss der Schnitt vielleicht genäht werden.” Die Bemerkung ließ sie
stolpern, und er griff nach ihrem Ellenbogen, um sie zu halten. „Sind Sie noch
nie genäht worden?”, fragte er, als er sah, wie bleich sie geworden war.
    „Nein, und
ich möchte nur ungern jetzt damit anfangen. Ich leide an Trypanophobie.”
    „Was ist
das? Angst vor Nadeln?”
    „Hmm”,
gab sie widerstrebend zu. „Sie halten das bestimmt für blöd.”
    Er
schüttelte den Kopf, ein schwaches Lächeln um die Lippen. „Ich habe eine
schlimmere Phobie.”
    „Welche?”
    „Das
erfährt nur, wer es unbedingt wissen muss.”
    „Spinnen?”,
riet sie. „Höhenangst? Furcht vor Clowns?” Sein Lächeln wurde breiter, ein
kurzes umwerfendes Strahlen. „Ganz kalt.”
    Sie
erreichten die Straße, und er ließ ihren Ellenbogen los, ging zu einem
verbeulten blauen Lkw, der in der Haltebucht stand, öffnete die Tür und begann,
in der Fahrerkabine zu kramen. Die Bulldogge tappte schwerfällig zu ihm, ließ
sich auf ihren Hintern plumpsen und beobachtete geduldig, was ihr Herrchen
tat.
    Lucy
wartete in der Nähe und musterte Sam verstohlen. Sein Körper, soweit
unter dem verwaschenen T-Shirt erkennbar, war muskulös und schlank. Die Jeans
saß locker auf seinen Hüften. Wie fast alle Männer der Gegend wirkte er durch
und durch zäh und widerstandsfähig. Der pazifische Nordwesten war ursprünglich
von Forschern, Pionieren und Soldaten besiedelt worden, die nie wussten, wann
das nächste Versorgungsschiff kommen würde. Sie hatten überlebt und sich von
dem
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