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Frost

Frost

Titel: Frost
Autoren: John Rector
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    Es fing gerade an zu schneien, als wir vom Highway abfuhren und auf den Parkplatz der Red Oak Tavern einbogen.
    Der Laden war nichts Besonderes. Ein paar Zapfsäulen standen davor, und ein «Geöffnet»-Schild aus Neonröhren leuchtete seinen Willkommensgruß hinter einer schmutzigen Fensterscheibe. Innen war es sauber und warm, es roch nach Fett und Zwiebeln. Als die Kellnerin unseren Kaffee brachte, musste ich endlich nicht mehr an die Straße denken und fühlte mich wieder lebendig.
    Eine Weile saßen wir schweigend da und tranken unseren Kaffee. Wir waren die einzigen Gäste, abgesehen von einem Mann, der in den Hörer eines Münztelefons am anderen Ende des Tresens flüsterte. Vermutlich hätten wir ihn überhaupt nicht bemerkt, wenn er nicht so gehustet hätte. Das Geräusch, feucht und würgend, ließ sich kaum überhören.
    Ich gab mir trotzdem Mühe.
    Sara nicht.
    «Mein Großvater hat so gehustet», sagte sie, «kurz bevor er starb. Es war furchtbar.»
    «Hört sich nicht gut an.»
    «Als es mit ihm zu Ende ging, hustete er Blut und Schleim. Das Zeug war überall, auf seiner Kleidung, auf den Möbeln, den Wänden – überall.» Sie nahm einen Schluck Kaffee. «Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn du dir abends dieSchorfstückchen aus den Haaren sammeln musst, weil jemand dich mit Blut angehustet hat?»
    Ich schüttelte den Kopf.
    «Das ist kein Spaß, glaub mir.»
    «Für ihn war es vermutlich noch schlimmer.»
    Sara sah mich an und nickte dann. «Ja, da hast du recht. Es war furchtbar für ihn.» Sie leerte drei Tütchen Zucker in ihren Kaffee. «Die Leute hatten Verständnis für ihn, und ich glaube nicht, dass es ihm irgendwer übelgenommen hat am Ende, wenn man mal bedenkt, wie sehr er gelitten hat und so.»
    «Übelgenommen?»
    «Dass er sich umgebracht hat.» Sie nahm noch einen Schluck Kaffee und runzelte die Stirn. «Die sagen immer, entkoffeinierter Kaffee schmeckt wie echter, aber das stimmt nicht. Ich schmecke den Unterschied.»
    «Davon hast du mir nie etwas erzählt.»
    «Wovon?»
    «Dass dein Großvater sich umgebracht hat.»
    «Der Krebs hätte ihn sonst sowieso erledigt», sagte sie. «Je länger er ausgehalten hätte, desto mehr hätte ihn die Versicherung unter Druck gesetzt. Das hätte ich wahrscheinlich an seiner Stelle auch so gemacht.»
    «Ich nicht.»
    «Du bist nicht in dieser Situation, also kannst du es auch nicht wissen.»
    Ich wollte gerade anfangen zu diskutieren, als ich spürte, wie sich ein dumpfer Schmerz hinter meinen Augen zusammenballte. Ich schaute nach unten und presste meine Finger an die Schläfen.
    «Alles klar mit dir?», fragte Sara.
    Ich nickte.
    «Dein Kopf?»
    «Ja.»
    «Hast du deine Tabletten dabei?»
    «Hab ich schon genommen», sagte ich. «Geht sicher gleich weg.»
    «Ich kann ein Stück fahren, wenn du möchtest.»
    «Ist schon in Ordnung. Erzähl weiter.»
    «Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen», sagte Sara. «Es ist, wie es ist.»
    Ich lehnte mich zurück, und wir schwiegen.
    Das einzige andere Geräusch im Raum kam von Hank Williams, der entfernt und leise «Lovesick Blues» durch die versteckten Lautsprecher in der Decke sang. Ich war kein großer Country-Fan, aber Hank Williams heiterte mich irgendwie auf.
    Ein Jammer, dass er so hatte sterben müssen.
    Ein paar Minuten später knallte der Mann am Telefon den Hörer auf die Gabel, ging zur Theke und setzte sich auf einen der Hocker. Er hustete, dann trank er ein Glas Wasser. Es half nichts, er hustete erneut.
    Jedes Mal zuckte Sara zusammen.
    «Der Arme», sagte sie. «Er klingt schrecklich.»
    Hinter mir öffnete sich die Küchentür, und unsere Kellnerin kam mit zwei Tellern heraus, auf denen sich das Essen türmte.
    Sara lächelte. «Wird auch Zeit.»
    Die Kellnerin durchquerte den Raum und stellte die Teller vor uns ab. Sie fragte, ob wir noch etwas brauchten. Ich antwortete, dass alles in Ordnung sei. Sie stellte eine halbleere Ketchup-Flasche auf den Tisch und verschwand wieder in der Küche.
    Ich starrte meinen Hamburger an und schloss dann die Augen. Der Schmerz in meinem Kopf ließ nach, aber die Tablettenrumorten in meinem Magen. Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt etwas herunterkriegen würde, also wollte ich mir Zeit lassen.
    Sara wartete nicht. Sie strich sich das dunkle Haar hinter die Ohren und griff nach ihrem Burger. Als ich endlich den ersten Bissen nahm, war sie schon fast fertig.
    «Mann, ich war am Verhungern», sagte sie.
    Ich nickte. Wir aßen und sprachen
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