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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Autoren: Robin Hobb
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Sklavenpriester, der die Rebellion angeführt hatte, glaubte, dass sie schon dadurch den Tod verdient hätten. Er predigte, dass sie die Feinde aller gerechten Menschen geworden waren, weil sie sich entschieden hatten, auf einem Sklavenschiff zu arbeiten. Wintrow befand sich diesbezüglich in einem großen Zwiespalt. Er klammerte sich an die tröstende Vorstellung, dass Sa jedes Urteil sich selbst vorbehielt, weil nur der Schöpfer die nötige Weisheit besaß, urteilen zu können.
    Die Sklaven an Bord des Schiffes allerdings teilten Wintrows Ansicht nicht. Einige sahen ihn an und erinnerten sich an die leise Stimme in der Dunkelheit und an die Hände mit dem kühlen, feuchten Lappen. Andere betrachteten ihn als Scharlatan, als Sohn des Kapitäns, der nur ein bisschen Wohltäter gespielt, sonst aber wenig für ihre Freiheit getan hatte, bis sie die Angelegenheit in ihre eigenen Hände nahmen. In einem verhielten sie sich jedoch alle gleich: Sie mieden ihn. Und er konnte es ihnen nicht verdenken. Er mied sie ebenfalls. Die meiste Zeit verbrachte er auf dem Vordeck in der Nähe von Viviace. Die Piratenmannschaft kam nur dorthin, wenn der Betrieb des Schiffes es erforderte. Ansonsten schlugen sie einen großen Bogen darum; sie waren genauso abergläubisch wie die Sklaven. Die lebende, sprechende Galionsfigur flößte ihnen Angst ein. Viviace ließ sich nicht anmerken, ob diese Scheu sie kränkte. Wintrow dagegen war sogar froh, dass es noch einen Fleck auf dem Schiff gab, wo er relativ ungestört war. Er lehnte den Kopf gegen die Reling und versuchte an etwas weniger Schmerzliches zu denken.
    Zu Hause war jetzt fast Frühling. Die Knospen in den Obstgärten des Klosters würden bereits schwellen. Wie es wohl Be-randol mit seinen Studien ging? Ob sein ehemaliger Tutor ihn überhaupt vermisste? Mit tiefem Bedauern malte er sich aus, was er mittlerweile studieren würde, wenn er dort wäre. Wintrow sah auf seine Hände hinunter. Früher einmal hatte er damit Manuskripte übertragen und bunte Glasfenster geformt. Es waren die Hände eines Jungen gewesen, beweglich und dennoch zart. Jetzt bedeckten Schwielen seine Handflächen, und an einer Hand fehlte ihm sogar ein Finger. Es waren die rauen Hände eines Seemanns. Und sein Finger würde niemals einen Priesterring tragen.
    Hier war der Frühling anders. Das Segeltuch flatterte knatternd im kühlen Wind. Über ihre Köpfe flogen Schwärme von Zugvögeln hinweg und stießen ihre unheimlichen Schreie aus. Die Inseln zu beiden Seiten des Kanals schimmerten in einem noch üppigeren Grün, und an ihren Stränden stritten sich kreischend Landvögel um Nistplätze.
    Jemand rief ihn im Geiste in die Gegenwart zurück.
    »Dein Vater ruft dich«, sagte Viviace leise.
    Sicher. Er hatte es durch sie gespürt. Die Fahrt durch den Sturm hatte das Band aus Verstand und Geist zwischen ihm und dem Schiff verstärkt und gefestigt. Er wies es nicht mehr so heftig zurück wie einst und spürte, dass Viviace es auch nicht mehr so stark hegte wie früher. Vielleicht trafen sich wenigstens diesbezüglich ihre Gefühle in der Mitte. Seit dem Sturm war sie freundlich zu ihm, aber nicht mehr. Wie ein abgelenktes Elternteil mit einem quengeligen Kind umgeht, dachte Wintrow.
    »In gewisser Weise haben wir seit dem Anfang unserer Reise die Rollen getauscht«, erklärte sie laut.
    Er nickte. Ihm fehlte die Lust und auch die Kraft, um die Wahrheit zu leugnen. Dann straffte er sich, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schob das Kinn vor. Sein Vater sollte nicht sehen, wie unsicher er war.
    Mit hoch erhobenem Kopf suchte er sich den Weg über das Deck. Er mied die Trauben von Sklaven und die Piraten. Niemand sah ihn an, und es hielt ihn auch keiner auf. Du bist verrückt, wenn du glaubst, dass dich alle beobachten, schalt er sich. Sie hatten gewonnen. Warum sollten sie sich um das Verhalten des letzten überlebenden Mitglieds der alten Mannschaft kümmern? Wenigstens hatte er es körperlich unversehrt überstanden.
    Die Viviace jedoch hatte Spuren des Sklavenaufstands davongetragen. Immer noch schimmerten Blutflecken auf ihren Planken. Diese Male würden nicht vergehen, ganz gleich, wie intensiv die Männer sie mit Sand schrubbten. Und das Schiff stank auch immer noch wie ein Sklavenschiff, trotz der ständigen Reinigung, die Brig angeordnet hatte. Der Sturm hatte ebenfalls seinen Tribut an ihren Segeln gefordert. Man sah das hastige Flickwerk der Piraten nur zu offensichtlich. Auf dem Achterdeck waren
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