Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
dass ich versuchen muss, ihn zu heilen. Aber ich weiß nicht, was schlimmer ist: die Aussicht, dass er überlebt und wir weiterhin Gefangene bleiben oder dass er stirbt und wir mit ihm und die Viviace allein zurückbleibt.«
    Sein Vater spie auf den Boden. Das war so untypisch für ihn, dass es Wintrow wie ein Schlag traf. Kyles Augen glitzerten wie zwei kalte Kiesel. »Ich verachte dich«, knurrte er. »Deine Mutter muss sich mit einer Seeschlange eingelassen haben, wenn sie so etwas wie dich ausgebrütet hat. Es beschämt mich, dass die Menschen dich meinen Sohn nennen. Sieh dich an! Piraten haben unser Familienschiff gekapert, den Lebensunterhalt für deine Mutter, deine Schwester und deinen kleinen Bruder. Ihr Überleben hängt davon ab, dass du das Schiff zurückeroberst! Aber du denkst nicht einmal daran! Nein. Du denkst nur darüber nach, ob du den Piraten töten oder heilen sollst, dessen Stiefel dir im Nacken sitzt und dich zu Boden drückt. Du hast mit keinem Gedanken überlegt, Waffen für uns zu besorgen oder das Schiff zu überreden, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, wie es sich gegen mich gewehrt hat. All die Zeit, die du verschwendet hast, dich um die Sklaven zu kümmern, als sie noch in Ketten lagen! Hast du versucht, bei ihnen Hilfe zu bekommen? Nein. Du kuschst und hilfst dem verdammten Piraten, das Schiff zu behalten, das er uns gestohlen hat.«
    Wintrow schüttelte den Kopf. Er war verwundert und gleichzeitig traurig. »Ihr denkt nicht logisch. Was erwartet Ihr von mir, Vater? Soll ich im Alleingang Kennit und seiner Mannschaft das Schiff entreißen, die Sklaven wieder in die Frachträume werfen und dann nach Chalced segeln?«
    »Du und dieses teuflische Schiff waren in der Lage, mich und meine Mannschaft zu übertölpeln! Warum bringst du das Schiff nicht gegen ihn auf, wie du es bei mir geschafft hast? Warum kannst du nicht wenigstens einmal im Interesse deiner Familie handeln?« Sein Vater stand auf und ballte die Fäuste, als wolle er Wintrow schlagen. Dann flogen seine Hände zu seiner Brust, und er schnappte vor Schmerz scharf nach Luft. Sein Gesicht verlor alle Zornesröte und wurde bleich. Kyle schwankte. Wintrow wollte ihn stützen.
    »Fass mich nicht an!«, knurrte Kyle drohend, stolperte zum Rand der Koje und ließ sich langsam darauf niedersinken. Dort saß er und starrte seinen Sohn finster an.
    Was sieht er wohl in mir? dachte Wintrow. Vermutlich war er für den großen, blonden Mann eine einzige Enttäuschung. Er war klein, dunkelhaarig und zierlich wie seine Mutter und würde niemals über die körperliche Kraft seines Vaters verfügen. Mit seinen vierzehn Jahren ähnelte er körperlich immer noch mehr einem Jungen als einem Mann. Aber er verfehlte die Erwartungen seines Vaters nicht nur in körperlicher Hinsicht. Auch sein Mut würde niemals dem seines Erzeugers nahe kommen.
    »Ich habe das Schiff nicht gegen Euch aufgewiegelt, Sir.« Wintrows Stimme klang leise. »Das habt Ihr selbst getan, durch Eure Behandlung von Viviace. Ich kann diesmal nicht mehr in voller Gänze Anspruch auf sie erheben. Das Beste, was ich hoffen kann, ist, uns am Leben zu erhalten.«
    Kyle Haven richtete seinen Blick gegen die Wand und starrte sie unbewegt an. »Geh und hol mir etwas zu essen!« Er bellte den Befehl, als habe er immer noch das Kommando über das Schiff.
    »Ich werde es versuchen«, erwiderte Wintrow unbeeindruckt. Er drehte sich um und verließ den Raum.
    Als er die beschädigte Tür hinter sich zuzog, sprach ihn eine der Kartenvisagen vor der Tür an. Die Spuren der Tätowierungen, die seine vielen Besitzer auf seinem Gesicht hinterlassen hatten, schienen zu tanzen, als er fragte: »Warum lässt du dir das von ihm gefallen?«
    »Was?«, erwiderte Wintrow überrascht.
    »Er behandelt dich wie einen Hund.«
    »Er ist mein Vater.« Wintrow versuchte seinen Unwillen darüber zu verbergen, dass sie das Gespräch belauscht hatten. Wie viel hatten sie gehört?
    »Er ist ein Pferdearsch«, bemerkte der andere Posten kalt und sah Wintrow herausfordernd an. »Und du bist folglich der Sohn eines Pferdearschs.«
    »Halt die Klappe!«, knurrte der erste Posten. »Der Junge ist nicht schlecht. Wenn du dich nicht mehr daran erinnern kannst, wer freundlich zu dir war, als du angekettet warst, ich kann es noch!« Er sah wieder Wintrow an und deutete mit dem Kopf auf die Tür. »Ein Wort von dir genügt, Junge. Ich sorge dafür, dass er vor dir kriecht.«
    »Nein«, sagte Wintrow. »Das will ich nicht.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher