Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Türen gewaltsam geöffnet worden, als die Sklaven die Offiziere gejagt hatten. Das glänzende Holz war zersplittert und hing schief in den Angeln. Es war nicht mehr das ordentliche, feine Schiff, das von Bingtown aus in See gestochen war. Plötzlich beschämte es Wintrow, sein Familienschiff so zu sehen. Es war fast, als hätte er seine Schwester bei der Hurerei in einer Taverne ertappt. Ein zärtliches Gefühl für die Viviace wallte plötzlich in ihm hoch, und er fragte sich, wie es wohl gewesen wäre, wenn er aus freien Stücken an Bord des Schiffes gekommen wäre, vielleicht als Schiffsjunge, um unter dem Befehl seines Großvaters zu dienen.
    Energisch schob er diese Gedanken beiseite. Er gelangte an eine leicht demolierte Tür, vor der zwei mürrische Kartenvisagen Wache hielten. Er trat an den ehemaligen Sklaven vorbei, als sähe er sie nicht, und klopfte an die Tür der Kabine, die einmal Gantry gehört hatte. Als er noch lebte. Jetzt war der geplünderte, kahle Raum die Gefängniszelle seines Vaters. Wintrow wartete nicht auf eine Antwort, sondern trat ein.
    Sein Vater saß auf dem Rand der Koje und starrte Wintrow entgegen. Ein Auge war blutunterlaufen, und sein Gesicht war geschwollen und blass. Kyle Havens Haltung verriet, dass er Schmerzen empfinden musste, aber seine Begrüßung war nur sarkastisch. »Nett, dass du dich noch an mich erinnerst. Vermutlich warst du zu beschäftigt, deinen neuen Herren in den Hintern zu kriechen.«
    Wintrow unterdrückte einen Seufzer. »Ich wollte schon früher zu Euch, aber Ihr habt geschlafen. Und ich wusste, dass Schlaf Euch besser heilen würde als alles, was ich zu bieten hätte. Wie geht es Euren Rippen?«
    »Sie brennen. Und mein Kopf schmerzt bei jedem Herzschlag. Außerdem bin ich hungrig und durstig.« Er deutete mit dem Kinn zur Tür. »Sie wollen mich nicht einmal hinauslassen, damit ich frische Luft schnappen kann.«
    »Ich habe Essen und Wasser für Euch hier gelassen. Habt Ihr es nicht…?«
    »Doch, ich habe es gefunden. Eine Pfütze Wasser und zwei Stücke trockenes Brot.« Die Stimme seines Vaters vibrierte vor unterdrückter Wut.
    »Mehr konnte ich nicht für Euch bekommen. Brot und Wasser sind im Moment knapp an Bord. Während des Sturms ist viel Nahrung vom Salzwasser verdorben worden…«
    »Du meinst wohl, die Sklaven haben sie verschlungen.« Kyle schüttelte angewidert den Kopf und zuckte anschließend zusammen. »Sie besitzen nicht einmal genug Verstand, um zu begreifen, dass Nahrung eingeteilt werden muss. Sie töten mitten in einem Orkan die einzigen Männer, die das Schiff segeln können, und fressen oder vernichten die Hälfte der Lebensmittelrationen an Bord. Sie können für sich genauso wenig Verantwortung übernehmen wie eine Schar Küken. Ich hoffe, dass wenigstens du dich über die Freiheit freust, die du ihnen geschenkt hast. Sie wird wahrscheinlich sowohl ihr Tod als auch ihre Erlösung sein.«
    »Sie haben sich selbst befreit, Vater«, erwiderte Wintrow hartnäckig.
    »Aber du hast sie nicht aufgehalten.«
    »Genauso wenig, wie ich dich aufgehalten habe, als du sie in Ketten an Bord gebracht hast.« Wintrow holte Luft, weil er weitersprechen wollte, hielt dann aber inne. Ganz gleich, wie sehr er versuchte, sein Tun zu rechtfertigen, sein Vater würde seine Gründe niemals akzeptieren. Stattdessen verstärkten Kyles Worte noch Wintrows schlechtes Gewissen. War er schuld an dem Tod der Mannschaft, weil er nichts unternommen hatte? Und wenn ja, lud er damit nicht auch die toten Sklaven auf sein Gewissen, die vor dem Aufstand verreckt waren? Dieser Gedanke war so peinigend, dass er nicht darüber nachdenken wollte.
    »Wollt Ihr, dass ich nach Euren Wunden sehe, oder soll ich versuchen, Nahrung für Euch aufzutreiben?«
    »Hast du die Medizinkiste gefunden?«
    Wintrow schüttelte den Kopf. »Sie ist verschwunden. Niemand gibt zu, dass er sie genommen hätte. Vielleicht ist sie beim Sturm über Bord gegangen.«
    »Nun, ohne diese Kiste kannst du wenig für mich tun«, meinte sein Vater zynisch. »Aber etwas zu essen wäre trotzdem ganz nett.«
    Wintrow wollte sich nicht provozieren lassen. »Ich werde sehen, was ich tun kann«, erwiderte er leise.
    »Das kann ich mir denken«, erwiderte sein Vater in schneidendem Ton. Er senkte unvermittelt die Stimme, als er weitersprach. »Und was wirst du mit dem Piraten tun ?«
    »Das weiß ich nicht«, gab Wintrow aufrichtig zu und erwiderte unerschrocken den Blick seines Vaters. »Leider. Ich weiß,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher