Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
eine Entscheidung zu fällen. Ich habe die ganze Sache nicht bis zu Ende gedacht, als ich den Handel mit Kennit abschloss. Für mich standen nur der Tod meines Vaters und mein Tod auf dem Spiel. Doch dadurch habe ich unabsichtlich auch dein Leben aufs Spiel gesetzt. Dazu hatte ich kein Recht. Denn du hast eine Menge mehr zu verlieren als ich, glaube ich.«
    Viviace nickte, antwortete aber nicht auf Wintrows Gedanken, sondern sprach aus, woran sie vorher gedacht hatte. »Er ist ganz anders, als ich mir einen Piraten vorgestellt habe. Kapitän Kennit, meine ich.« Nachdenklich fügte sie hinzu: »Ich wäre eine Sklavin, hast du eben gesagt. Ich glaube nicht, dass er mich als seine Sklavin ansieht.«
    »Kennit entspricht auch nicht meinem Bild von einem Piraten. Doch trotz seines Charmes und seiner Intelligenz dürfen wir nicht vergessen, dass er einer ist. Mehr noch, wir müssen uns ins Gedächtnis rufen, dass er im Falle meines Versagens nicht derjenige sein wird, der dich befehligt. Er ist dann tot. Niemand kann sagen, wer dich dann führen wird. Vielleicht Sorcor, sein Erster Maat. Oder Etta, seine Frau. Möglicherweise wird sogar Sa'Adar noch einmal versuchen, dich für sich selbst und seine befreiten Sklaven zu beanspruchen.« Wintrow schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht gewinnen. Wenn die Operation Erfolg hat, muss ich zusehen, wie Kennit dich mir wegnimmt. Er schmeichelt dir ja schon mit seinen Worten, und seine Mannschaft arbeitet auf deinen Decks. Ich habe kaum noch etwas dazu zu sagen, was auf dir vorgeht. Und ob Kennit nun lebt oder stirbt, ich werde bald nicht mehr die Macht haben, dich zu beschützen.«
    Viviace zuckte mit ihrer Hexenholzschulter. »Hattest du das denn vorher?« Ihre Frage klang ein wenig kühl.
    »Wohl kaum«, räumte Wintrow beinahe entschuldigend ein. »Aber wenigstens wusste ich, was ich zu erwarten hatte. Es ist zu viel zu schnell geschehen, für uns beide. Es gab zu viele Tote und zu große Veränderungen. Ich habe keine Zeit zum Trauern gehabt und auch nicht zum Meditieren. Ich weiß kaum noch, wer oder was ich eigentlich bin.«
    Sie schwiegen beide nachdenklich.

    Wintrow fühlte sich, als treibe er zeitlos dahin. Sein Leben, sein wirkliches Leben, war weit weg, in einem friedlichen Kloster in einem warmen Tal mit fruchtbaren Obstgärten und Feldern. Wenn er Entfernung und Zeit überschreiten könnte, wenn er auf seiner schmalen Pritsche in seiner kühlen Zelle aufwachen könnte, würde er die verwirrten Fäden seines Lebens wieder aufnehmen können, davon war er überzeugt. So sehr hatte er sich nicht verändert, jedenfalls redete er sich das ein. Nicht wirklich. Gut, ihm fehlte ein Finger. Er hatte gelernt, damit zurechtzukommen. Und die Sklaventätowierung auf seinem Gesicht blieb an der Oberfläche auf seiner Haut. Er war niemals wirklich ein Sklave gewesen; die Tätowierung entsprang nur der grausamen Rache seines Vaters für seinen Fluchtversuch. Er war immer noch Wintrow. Nach ein paar ruhigen Tagen würde er wieder den friedlichen Priester in sich entdecken.
    Aber hier an Bord bestand diese Chance nicht. Die schnellen Veränderungen der letzten Zeit hatten so viele merkwürdige Gefühle in ihm erzeugt, dass er im Augenblick gar nichts empfinden konnte. Die Gefühle von Viviace waren genauso verwirrt wie seine eigenen, denn die Erfahrungen, die sie hatte machen müssen, waren genauso brutal gewesen. Kyle Haven hatte das gerade erwachte Lebensschiff in den Dienst seines Sklavenhandels gezwungen und sie all den finsteren Gefühlen ihrer elenden Fracht ausgeliefert. Nicht einmal Wintrow hatte sie trösten können, obwohl er ein Blutsverwandter ihrer Gründerfamilie war. Sein eigener unfreiwilliger Dienst auf dem Schiff hatte das eigentlich natürliche Band zwischen ihnen nachhaltig geschwächt. Und die Entfremdung von ihr hatte das Elend von Viviace noch verschärft. Trotzdem waren sie mehr recht als schlecht miteinander ausgekommen, wie zwei Sklaven, die aneinander gefesselt waren.
    In einer stürmischen Nacht hatte ein Sklavenaufstand sie von der Herrschaft Kyle Havens befreit – und auch von ihrer Funktion als Sklavenschiff. Von der ursprünglichen Mannschaft lebten nur noch Wintrow und sein Vater. In der Morgendämmerung war das Schiff von Piraten gekapert worden. Kapitän Kennit und seine Mannschaft hatten die Viviace ohne einen einzigen Schwertstreich erbeutet. Und dann war Wintrow einen Handel mit Kennit eingegangen: Er würde das Leben des Piraten zu retten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher