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Zauber der Vergangenheit

Zauber der Vergangenheit

Titel: Zauber der Vergangenheit
Autoren: Jana Goldbach
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Schränken verfrachtet und den Ring ganz nach unten in meinen Koffer gestopft. Ich wollte beides im Augenblick nicht mehr sehen. Als Drew am dritten Tag nach unserer Rückkehr mein dunkles Zimmer betrat, hatte sich etwas verändert. Er hatte sich verändert. Ich konnte ihm ansehen, dass ihn etwas belastete. Er zog energisch die Vorhänge beiseite. Ich musste mir die Hand vor die Augen halten, um nicht geblendet zu werden. Tausende Staubkörnchen tanzten im Licht der einfallenden Sonnenstrahlen und Drews blonde Haare funkelten wie Gold. Der entschlossene Ausdruck, der auf seinem Gesicht lag, beunruhigte mich jedoch. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst und sein Blick wirkte fast feindselig.
    »Violet, ich habe mir das jetzt lange genug mit angesehen«, sagte er harsch. »Deine Mutter sagt, du verweigerst seit Tagen das Essen. Wie soll das weitergehen?«
    »Ich hab keinen Hunger«, sagte ich und zog mir die Bettdecke über den Kopf. Doch Drew zog sie wieder weg.
    »Du kannst dich nicht für den Rest deines Lebens hier verkriechenViolet. Dadurch ändert sich nichts.«
    »Lass mich in Ruhe, Drew«, schluchzte ich. Doch statt mich wie sonst in den Arm zu nehmen und zu trösten, blieb er entschlossen vor meinem Bett stehen.
    »Also gut, wenn du nicht dazu bereit bist eine Lösung zu finden, dann werde ich das tun«, sagte er. Mit diesen Worten verließ er das Zimmer wieder. Ich fühlte mich augenblicklich schlecht. Ich hätte ihn nicht so behandeln sollen. Da weinte ich mich tagelang bei ihm wegen eines anderen Kerls aus und Drew hatte so viel Verständnis gezeigt und nun hatte ich ihn zum Dank einfach von mir gestoßen. Ich vergrub mich wieder in den Kissen und bejammerte mein bemitleidenswertes Dasein.
    In den letzten Tagen vor unserer Abreise kam Drew nicht mehr vorbei. Ich überlegte, einfach zu ihm rüberzugehen und ihn um Verzeihung für mein Benehmen zu bitten, doch ich hatte nicht den Mut dazu. Ich hatte Angst, er würde mich wieder fortschicken, und redete mir ein, dass er mich nicht mehr sehen wollte. Ohne ihn fühlte ich mich noch verlassener als zuvor. Meine Mutter versuchte, mich dazu zu bewegen, mich wenigstens für ein paar Stunden in den Garten zu setzen, damit die Sonne mir wieder ein wenig Farbe verlieh. Um sie nicht noch weiter zu beunruhigen, kam ich ihrem Wunsch schließlich nach und legte mich in einen der Sonnenstühle auf Tante Battys Terrasse. Hier wirkte alles so friedlich. So, als sei nichts geschehen. Ich dachte an meinen Großvater und wie er versucht hatte mich aufzumuntern. Er sähe es sicher auch nicht gerne, wie ich hier herumsaß und in Selbstmitleid badete. Schließlich war ich doch die Erbin seines »Vermächtnisses«, wie er es genannt hatte. Aber was erwartete er von mir? Ich war keine Wissenschaftlerin. Ich würde keine bahnbrechenden Erfindungen zu Stande bringen. Ich war so in meine Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, wie meine Mutter hinter mir auftauchte. Sie hielt einen weißen Briefumschlag in der Hand.
    »Der wurde für dich abgegeben, mein Schatz«, sagte sie und überreichte mir den Umschlag. Ich sah sie verdutzt an. Wer schickte mir denn Post an Tante Battys Adresse? Ich drehte und wendete den Brief, doch es war kein Absender darauf vermerkt. Langsam öffnete ich die Lasche und zog das Papier heraus, das darin steckte. Ich entfaltete es und erkannte Drews Handschrift. Es stand nur ein Satz darauf:
    Komm zum Teich unter der Weide.
    Ich überlegte nicht lange und sprang von meiner Liege auf. Drew wollte sich mit mir treffen. Ich wusste natürlich sofort, welchen Ort er meinte, aber woher kannte er ihn? Ich beschloss, mir diese Frage für später aufzuheben, und schlüpfte in meine Turnschuhe. Auf dem Weg in den Vorgarten lief ich Tante Batty über den Weg.
    »Wo willst du denn hin?«, fragte sie.
    »Ich will nur ein bisschen spazieren gehen«, log ich.
    »Sei aber wieder zu Hause, bevor es dunkel wird«, forderte sie. »Deine Mutter macht sich weiß Gott schon genug Gedanken um dich.«
    »Ist gut«, antwortete ich und marschierte durch das Gartentor hinaus auf die Straße. Mit dem Bus fuhr ich bis zur Uni. Als ich vor dem alten Gebäudekomplex stand, kamen die Erinnerungen wieder hoch. Hier hatte ich auf Drew gewartet und war dabei Anthony in die Arme gelaufen, nachdem mich das Eichhörnchen angegriffen hatte.
    Da es Samstagnachmittag war, waren nur wenige Leute auf dem Gelände. Ich wusste genau, welchen Platz Drew in seinem Brief gemeint
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