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Zauber der Vergangenheit

Zauber der Vergangenheit

Titel: Zauber der Vergangenheit
Autoren: Jana Goldbach
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verlegen mit den Fingern durch sein feuerrotes Haar, das in alle Richtungen abstand, und ignorierte dabei meinen mürrischen Gesichtsausdruck. Er war ein großer, schlaksiger Kerl um die Dreißig. Während er sein typisches Postbotenlächeln zum Besten gab, konnte ich seine dunklen Augen und seine unzähligen Sommersprossen erkennen, die ihm tatsächlich gut zu Gesicht standen. Ich fand ihn sogar ein bisschen hübsch, was mich meine schlechte Laune fast vergessen ließ.
    Erst ein kalter Windhauch, der mich augenblicklich frösteln ließ und ein paar Blätter aus dem Vorgarten über die Stufen bis hinein in den Flur wehte, wo sie um meine nackten Füße tanzten, holte mich wieder zurück in die Realität. Schlagartig wurde mir bewusst, dass ich nur in meinem Nachthemd vor ihm stand, und mit einem Mal fand ich sein Grinsen gar nicht mehr so toll. Hastig schlang ich mir die Arme um die Brust und sah zu Boden. Ich spürte, wie ich rot anlief.
    »Ich habe hier eine Sendung für Mr und Mrs Harrison«, sagte der Postbote immer noch überschwänglich gut gelaunt.
    »Das sind meine Eltern«, sagte ich und verfluchte mich insgeheim dafür, dass ich mir nicht wenigstens ein paar Socken angezogen hatte.
    »Der Umschlag hat … äh … leider nicht in Ihren Briefkasten gepasst und der Absender hat eindringlichst vermerken lassen, dass der Umschlag auf keinen Fall geknickt oder … nun ja … irgendwo abgelegt werden darf«, erklärte er nervös, so als stünde er unter Beobachtung.
    Tatsächlich konnte ich auf dem Umschlag eine handschriftliche Notiz erkennen, die mit mehreren Ausrufezeichen versehen war.
    »Wenn Sie wollen, quittiere ich Ihnen den Erhalt«, bot ich ihm an.
    Er schien unschlüssig. Seine langen Finger umklammerten den Umschlag. Ich sah ihm an, dass er hin- und hergerissen war, das Angebot anzunehmen; nur für alle Fälle.
    »Ich denke, das ist nicht nötig«, stellte er nach einigem Überlegen fest. »Versprechen Sie mir nur, dass sie den Umschlag an Ihre Eltern weitergeben.«
    Ich nickte irritiert und strich mir eine meiner dunklen Locken aus dem Gesicht. Nach kurzem Zögern und einem weiteren nervösen Blinzeln drückte er mir den Umschlag schließlich in die Hand und machte sich auf den Weg zurück durch das Gartentor. Bevor er sich jedoch auf sein Fahrrad schwang, sah er sich noch einmal prüfend nach mir um. Wahrscheinlich fürchtete er, ich könnte den Brief an Ort und Stelle verbrennen. Erst als ich Anstalten machte die Tür zu schließen, radelte er davon.
    Ich beschloss, dass es jetzt erst einmal Zeit für eine Tasse Kaffee war und schlurfte durch den Flur in die Küche. Ich fühlte mich noch etwas benommen, wollte aber, da ich nun einmal aufgestanden war, auch nicht wieder zurück ins Bett. Als ich den ersten Schritt auf die kalten Küchenfliesen setzte, wurde mir wieder bewusst, dass ich noch immer barfuß unterwegs war. Auf Zehenspitzen durchquerte ich in wenigen, großen Schritten den Raum. Den Umschlag platzierte ich im Vorbeigehen auf dem Küchentisch, der viel zu klein war für drei Personen, wie ich fand. Aber meine Mutter hatte gemeint, dass wir ja sowieso kaum gemeinsam daran sitzen würden und ein größerer Tisch reine Platzverschwendung sei. Außerdem würde er doch so gut zu unserer Einbauküche passen. Diese war, wie fast alle Möbel in unserem Haus auch, aus Buchenholz. Meine Mutter vertrat die Ansicht, dass das viel wohnlicher wirkte als diese modischen Hochglanz Lack- und Metall-Schränke. Ich war da anderer Meinung, aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten.
    Da ich von Natur aus nicht besonders groß war, vollführte ich wie jeden Morgen meine täglichen Streckübungen, indem ich versuchte das Müsli aus dem obersten Regal zu fischen. Als ich die Schachtel endlich in den Händen hielt, musste ich feststellen, dass sie leider fast leer war. Mit einem ergebenen Seufzer setzte ich mich im Schneidersitz an den Küchentisch, damit meine Füße nicht weiter den kalten Boden berührten, und ließ den kläglichen Rest der Cornflakes geräuschvoll in die Schüssel fallen. Anschließend kippte ich so lange Milch darauf, bis auch der letzte Krümel darin ertrunken war, und gab noch einen Schuss Milch in den Kaffee. Ich konnte Kaffee einfach nicht schwarz trinken. Zum einen, weil er mir dann viel zu bitter war, und zum anderen, weil ich nicht schon am frühen Morgen einen Koffeinschock riskieren wollte.
    Nach den ersten Schlucken meines Gute-Laune-Morgen-Kaffees fühlte ich mich
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