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Zauber der Vergangenheit

Zauber der Vergangenheit

Titel: Zauber der Vergangenheit
Autoren: Jana Goldbach
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verrückte Freunde hatte, als ich bisher angenommen hatte. Ich fügte das Ereignis jedenfalls meiner Liste unerklärlicher Rätsel hinzu.
    Das Kleid, das Tante Batty für mich ausgesucht hatte, entpuppte sich als Albtraum in pastellrosa. Es hatte überall Rüschen und aufgenähte Rosen. Zu allem Überfluss prangte auf der Höhe meines Hinterns die Stickerei eines turtelnden Schwalbenpärchens. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Frauen im 18. Jahrhundert so etwas am helllichten Tag in der Öffentlichkeit getragen hatten. Ich sah darin aus wie ein ausgelutschtes Erdbeerbonbon. Es passte einfach überhaupt nicht zu meinem Typ. Meine Mutter sagte immer, ich sei das klassische Schneewittchen: Dunkle Haare, dunkle Augen und blasse Haut. Tante Batty fand jedoch, dass ich ganz entzückend darin aussah.
    »Es ist leider an einigen Stellen ein bisschen eng Kind. Du hast einfach zu viel zugenommen«, stichelte sie, als sie den Reißverschluss mit einem Ruck nach oben zog und mir dabei fast die Luft wegblieb, weil es mir die Brust einquetschte.
    Und das kam ausgerechnet von ihr. Ich hatte genau das richtige Gewicht für meine Körpergröße und ich hatte seit unserem letzten Besuch bei ihr kein einziges Gramm zugenommen. Lediglich meine Oberweite hatte etwas an Umfang gewonnen. Ich war eben ein Spätzünder.
    »Nun ja, wenn du das mit einem Schal kaschierst, wird es mit ein bisschen Glück niemandem auffallen«, schlug sie vor.
    Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits nahe daran, mich komplett zu »kaschieren« und mich für den Rest des Wochenendes in meinem Zimmer zu verbarrikadieren. Doch meiner Mutter zuliebe spielte ich artig mit. Sie hatte mich vor der Abfahrt gebeten, nett zu Tante Batty zu sein. Onkel Ray hatte sie erst vor kurzem verlassen und meine Mutter meinte, dass das für Tante Batty wohl ein ziemlicher Schock gewesen sei. Mich überraschte es nicht. Ich hatte mich schließlich schon immer gefragt, wie lange er es noch bei ihr aushalten würde. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte sie ihn immer herumkommandiert und war ihm bei jeder erdenklichen Gelegenheit über den Mund gefahren. Onkel Ray hatte sich dann, wie immer, Pfeife rauchend hinter seiner Tageszeitung verschanzt und sich den Rest des Tages aus allem rausgehalten. Dass das nicht ewig gut gehen konnte, war klar.
    »So, das hätten wir«, sagte sie schließlich selbstzufrieden. »Du kannst das Kleid mit auf dein Zimmer nehmen. Die Feier beginnt um sieben im großen Salon. Du hast also noch genug Zeit, um dich auszuschlafen und dich ordentlich herzurichten«.
    Ich ignorierte ihre Spitze und betrachtete mich noch einmal eingehend von oben bis unten. Ich machte Minnie Mouse alle Ehre. Es fehlte nur noch die überdimensionale Schleife im Haar. Ich musste eine ganze Weile so dagestanden haben, denn als ich mich umdrehte, war Tante Batty bereits verschwunden. Umständlich schälte ich mich aus dem rosa Tüllbonbon und beschloss, es vorerst nicht mit auf mein Zimmer zu nehmen. Stattdessen hängte ich es zurück zu den anderen Sachen auf eine der ellenlangen Kleiderstangen. Ich würde später hierher zurückkommen und es holen. Jetzt brauchte ich erst einmal eine lange, heiße Dusche.

KAPITEL 2
DIE JAHRHUNDERTFEIER

    Den ganzen Nachmittag über klopfte und klingelte es an der Tür. Genau im Viertelstundentakt – man konnte die Uhr danach stellen – gellte dazu die Stimme von Tante Batty durch die Flure. Ich beschloss, dem Trubel vorerst aus dem Weg zu gehen, auch, um nicht an der Begrüßungszeremonie teilnehmen zu müssen, die sie bei jedem Gast aufs Neue zelebrierte. Ein Küsschen links, ein Küsschen rechts, hier ein Händeschütteln, da eine Umarmung. Ich konnte es ohnehin nicht ausstehen, wenn fremde Menschen mich abknutschten. Stattdessen vertrieb ich mir die Zeit damit, meine Mails auf dem Handy zu checken und ein bisschen zu chatten. Scheinbar war zu Hause in London aber auch nichts Nennenswertes passiert, denn meine beste Freundin Zoe schrieb mir nur kurz, dass sie heute Abend bei ihrem Vater essen würde. Zoes Eltern waren geschieden und sie verbrachte abwechselnd ein Wochenende bei ihrer Mutter und ihrem Vater. Ich schrieb ihr zurück, dass ich wirklich gerne mit ihr tauschen würde, woraufhin ich als Antwort einen zwinkernden Smiley erhielt, der mir rhythmisch einen Vogel zeigte.
    Um halb sieben klopfte es an meiner Tür.
    »Violet, kann ich reinkommen?« Es war die Stimme meiner Mutter.
    Ich sprang vom Bett auf und
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