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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster
Autoren: René Zeyer
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virtuellen Wert von vierzig Euro hergestellt.
    Aber damit nicht genug, ich biete Wetten und Versicherungen darauf an, dass diese finanziellen Transaktionen auch stattfinden. Und ich verleihe die virtuellen 40 Euro. Bei einem solchem Unsinn macht keiner mit? Weit gefehlt, mit solchem Schwachsinn hat es der größte Zocker aller Zeiten, der langjährige Boss der AIG, Hank Greenberg, zum Beispiel geschafft, seine Bude von ein paar Millionen auf einen Börsenwert von 240 Milliarden Dollar aufzublasen. Denn neben den berüchtigten CDO, dem hübsch verpackten Hypothekarschrott, mit dem sich die Verpacker dumm und dämlich verdienten, gab es ja noch die CDS, die sogenannten Credit Default Swaps.
    Das geht ganz einfach: Als AIG versichere ich das Risiko, ob ich mir die virtuellen 40 Euro auch wieder zurückbezahlen kann. Oder, kehren wir in die nicht minder absurde Realität des modernen Financial Engineering zurück, ich versichere das Risiko, dass ein amerikanischer Ex-Knacki ohne Rücklagen und Einkommen, mit nicht mehr als 5 Dollar und einer Crackpfeife in der Tasche, in der Lage sein wird, die Hypothek auf eine windschiefe Holzhütte in den USA zurückzuzahlen. Die Bank, die ihm den Kredit vergeben hat, wettet dagegen, die AIG wettet darauf, dass doch. Aber eigentlich ist der Bank und der AIG völlig egal, ob der Ex-Knacki zahlen kann oder nicht. Denn sowohl die CDO wie die CDS werden hübsch verpackt und am anderen Ende der Welt einem Anleger aufs Auge gedrückt, das Risiko trägt weder die Bank noch die AIG.
    Das ist nicht mal mehr Kasino-Kapitalismus, denn im Kasino müssen die Chips ja mit realem Geld gekauft werden. Im realen Kasino ist es so: Der Zocker verliert meistens, die Bank gewinnt immer. In der realen Finanzwelt ist es so: Bank, Anleger, Pensionäre, Steuerzahler, der Staat und eigentlich alle verlieren, der zockende Banker gewinnt immer. Ob Marcel Ospel, Hank Greenberg oder Richard Fult, ob UBS, AIG, oder Lehman Brothers, ob Merril Lynch, Goldman Sachs oder Credit Suisse: Es werden Milliarden verdient, der Banker zockt ab. Es werden Milliarden verloren, der Banker zockt ab. Zehntausende von Kleinanlegern in Europa verlieren mehrere Milliarden in wertlosen Lehman-Schrottpapieren. Die sie gebastelt haben, die sie verkauft haben, verdienten sich eine goldene Nase. Während die größte Finanzkrise aller Zeiten Staaten an den Rand des Bankrotts treibt, die sogenannte Realwirtschaft am Rande des Ruins taumelt, Anleger und Pensionäre sich zu Recht fragen, ob ihr sauer erspartes Geld nicht morgen schon nichts mehr wert ist, feiern weltweit Tausende von Bankern die erste eigene Million, Hunderte die ersten eigenen 10 Millionen und Dutzende die ersten eigenen 100 Millionen. Ein Beispiel von vielen: Die US-Citigroup machte 2008 einen Verlust von 37,7 Milliarden Dollar. Vor dem Kollaps rettete sie eine Staatshilfe in der Höhe von 45 Milliarden. Das Versagen ihrer Banker vergoldete sie mit insgesamt 5,33 Milliarden Bonuszahlungen.
    Moral, Schuld, Sühne, das sind keine Werte, die sich in Zahlen messen lassen, deshalb zählen sie für die Bankerbanditen nicht, sind für sie wertlos. Oder hat jemand ein Wort der Scham, der Schuld, eine Entschuldigung von einem Bankenraubritter gehört? Nach dem größten Bankraub aller Zeiten ist deshalb klar: Nach dem Bankraub ist vor dem Bankraub, ist während des Bankraubs. Und was sagt die Finanzwissenschaft dazu? Was sagt sie überhaupt? Besser als der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman kann man es nicht auf den Punkt bringen: Das meiste, was die Ökonomie in den letzten 30 Jahren hervorgebracht hat, ist »im besten Fall nutzlos, im schlimmsten Fall schädlich«.
    Im Nachwort zum ersten Buch der Bankerstorys schrieb ich: »Wenn sich die Weltwirtschaft vom größten Bankraub aller Zeiten erholen wird, werden die Banker genau so weitermachen wie hier beschrieben.« Damals wusste ich nicht, dass es noch viel schlimmer kommt: Die Weltwirtschaft hat sich nicht erholt, doch die Banker machen genau so weiter.
    Wir sind uns einig: Jeder Verbrecher hat nach der ersten Untat, der Verbüßung der Strafe und einer Resozialisierung eine zweite Chance verdient. Wir sind uns einig: Nicht therapierbare Wiederholungstäter gehören lebenslänglich weggesperrt. Das gilt eigentlich für alle Arten von Delikten, das gilt sogar für Bernie Madoff, den größten Schwindler aller Zeiten. Den größten? Der hat doch lediglich 65 Milliarden abgetischt. Darüber können die internationalen
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