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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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schlimmer: ein stumpfer Schnitt ins
Fleisch sein sollte, ins eigene am Ende. Sie gehört zu den Menschen, die sich
selbst am besten verletzen können. Für einen Moment überlege ich, ob es Ella
gewesen sein könnte. Ob sie die Elpe angezündet hat. Hoffentlich nicht, denke
ich sofort, aber in dieses Vernunftpapier ist die andere Hoffnung
eingewickelt, nämlich dass es sich ganz genau so verhält. Ich wünsche es mir.
Ihr. Und vielleicht nur, um einen handfesten Grund für meine heimliche Bewunderung
zu haben. Aber ich muss aufhören, sie zu verdächtigen.
    Paul schenkt nach, bei jedem
anderen würde ich denken, er beabsichtige, uns besoffen und willenlos zu
machen, vor allem bei jedem, der dazu so aufreizend vor sich hinpfeift. Ich bin willenlos, mein Gott. Ich kenne die Melodie. Paul grinst, ohne
mich anzusehen, als hätte er es bemerkt. Er kriegt gleichzeitig ein
Pfeifen-perfectly-in-tune und ein Widerstand-ist-zwecklos-Grinsen hin, was mich
nochmals in meiner Ansicht bestätigt, es bei ihm mit einem Wesen von einem
anderen Stern zu tun zu haben. Und alle Vorsicht in den vorpommerschen Wind
geschlagen, tja. Als er mich schließlich anblickt, ist das wie das Zeichen zum
Einsatz, ich fange an zu singen, synchron mit ihm.
    H ey J ude, don't
make it bad, take a sad song and make it better, remember to let her into your
heart, then you can start to make it better.
    Ich weiß nicht, was mich
treibt, warum ich jetzt plötzlich lauter singen muss als die beiden zusammen,
denn Ella, sie singt ja auch mit, Tatsache, leise und sicher, und ich
schmettere hier los, als müsste ich singen für zwei, für die fehlenden
Flusskrebse womöglich. Wir singen das Ding runter bis zum Ende, alle Strophen
wie in der Kirche, wenn der Klingelbeutel rumgereicht wird und das Lied dann
doch immer länger ist als - ja, als was? Mir fällt nichts mehr ein, außer das,
was ich gerade auf der Zunge habe, also nur noch nananana , also: muss der Wodka sein,
endlich. Wir lächeln uns zu wie die Engelein. Muss der Wodka sein.
    Da fragt Paul: »Ihr wisst, was
John Lennon am Ende von S trawberry F ields sagt, I mean: angeblich?«
    »Angeblich« ist neu. Manchmal
habe ich den Verdacht, er verstellt sich, er spricht in Wirklichkeit besseres
Deutsch als wir. »Ja«, sage ich bloß, und Ella: »Wieso?«
    »Na ja, es gibt diese - rumours
...«, er sieht mich fragend an, »Gerüchte«, sage ich, und komme mir vor wie
eine aus reiner Gutmütigkeit angestellte Souffleuse, der die Schauspieler ab
und zu das Gefühl geben müssen, sie werde wirklich gebraucht.
    »... Gerüchte, ja, dass Paul
tot ist, also, Paul McCartney«, er lächelt, oh, ich weiß, er weiß alles. »Und
dass sie ihn ersetzt haben mit ein Double.«
    Ella lacht. Das Gefühl, dass
sie mich auslacht. »Du wusstest das?«
    »Es gibt ziemlich viele
Hinweise«, sage ich, als müsste ich die Internationale Union der Spinner und
Fabulanten verteidigen, »angeblich.« Ich sehe Paul an, er nickt. Als hätte ich
etwas richtig gemacht. Ich räuspere mich. »Zum Beispiel, dass er barfuß geht
auf dem A bbey- R oad -Cover, das ist ein
Mafia-Symbol dafür, dass jemand tot ist. Vor ihm John, ganz in Weiß, er könnte
den Priester darstellen, George in Jeans, was ja mal Arbeitskleidung war, den
Totengräber. Und Ringo geht in Schwarz hinterher. Alles klar? Ach ja, und dann
noch das Auto im Hintergrund, der Käfer ...«
    »Yeah, 28 IF, that means -
achtundzwanzig falls, oder wenn, wie sagt ihr? Also, er wäre achtundzwanzig
gewesen das Jahr«, er flüstert jetzt fast, schelmisch, »aber nur, wenn er noch
lebendig gewesen wäre.«
    »Oder das Zeichen, das John
über seinem Kopf macht auf Y ellow S ubmarine , oder dass er auf einem
Booklet-Foto von M agical M ystery T our nicht wie die anderen eine
rote, sondern eine schwarze Nelke hat, und es wurden auch lauter Zeilen aus
Songtexten so interpretiert, W ednesday
morning five o'clock , der Zeitpunkt des Autounfalls ...« Ich merke, wie
aufgedreht ich bin. Aber Paul lächelt nur. »Well - solche Sachen.«
    »Wow«, sagt Ella schmunzelnd.
»Und jetzt hält Romy dich anscheinend für so eine - na, äh - Reinkarnation
oder so was ...«
    »Ach, spinn nich rum!«, fall
ich ihr ins Wort. Was denkt sie sich eigentlich! »Paul ist Paul.«
    Sie grinst. »Welcher?«
    Dann sind wir auf einmal
wieder stumm wie die Fische und glubschen auf unsere Gläser. Ich kipp mir den
Rest schnell hinter - was Mama jetzt wieder zu diesem laschen Witzchen mit
»hinter die Binde« reizen
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