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Zander, Judith

Zander, Judith

Titel: Zander, Judith
Autoren: die wir heute saagten Dinnge
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gemacht hatte,
das ich selbst entwickeln durfte. Das hier, das muss kurz nach dem Krankenhaus
gewesen sein.
    Das Komische war, dass ich
nachmittags noch Riesenappetit auf Sahnetorte hatte, das hätt mir vielleicht
schon zu denken geben müssen, ich mach mir da sonst gar nix draus, aber ich hab
Friedhelm losgeschickt, der musst mir ein Stück holen. Da hatte ich schon hohes
Fieber, und dann die Schmerzen im Leib, das strahlte bis in den Rücken. Der
Arzt, der den Hausbesuch machte, dachte denn ja auch, das wären die Nieren,
und verschrieb mir dann son Medikament, ich weiß nicht mehr, was das war, aber
so wie das gewirkt hat, muss das die reinste Pferdekur gewesen sein. Sowie ich
die runterhatte, die Tablette, bekam ich son ganz ekliges Gefühl am ganzen
Körper, das war, als war ich gelähmt, als würd nur noch mein Hals irgendwo rausgucken,
da hatt ich zum ersten Mal wirklich Todesangst. Friedhelm ist dann noch mal zur
Telefonzelle und hat nen Krankenwagen gerufen, und ich weiß noch, als sie mich
dann holten, ist Romy wach geworden und hat geschrien, nach Mama geschrien, und
Mama musst nun los. Hätt ich da schon geahnt, wie dick das alles noch kommt...
Das Stück Torte hab ich übrigens gleich wieder ausgespuckt. Mit
Wahnsinnsbauchschmerzen dann zum Krankenhaus. Die haben mich gleich dabehalten.
Ich dacht, ich bin übermorgen wieder zu Hause. Nach einer Woche dacht ich das
nicht mehr. Nach einem Monat dacht ich, dass ich nicht mehr nach Hause komm. Da
lag ich da immer noch mit aufgequollenem Bauch, ich weiß noch, das war ein
Sonntag, und ich hab geschrien vor Schmerzen, ich könnt nicht mehr, ich hab
einfach geschrien, bis sie gekommen sind und mir was gespritzt haben, ich
glaub, das war Morphium. Jedenfalls hörten die Schmerzen auf. Aber ich war in
einem Zustand, wo ich nicht wusste, ob ich tot oder lebendig bin, ich sah mich da liegen. Sie hatten mir
ja gleich einen Schlauch in die Scheide geschoben, durch den egaleweg Eiter
abfloss, ich weiß nicht, was die nun dachten, was das ist. Sie haben mich mit
Penicillin vollgepumpt und mit Schlafmitteln für die Nacht und mich um halb
sechs geweckt und gewaschen, mir tat alles weh, der Waschlappen auf der Haut.
Visite. Sie haben nix gesagt. Doktor Krafczyk, der Chefarzt der Gyn, hat
gesagt, »na, Frau Plötz«. Er hat nie gelächelt. Doktor Wehnig hat gelächelt,
aber immer so schief. Die Schwestern haben keine Stelle mehr zum Blutabnehmen
gefunden. Der schwarze Assistenzarzt aus Mosambik hat mir über die Stirn
gestrichen und gesagt, »arme Frau Plöß«, er hat das tz immer wie ß gesprochen,
ich musste immer weinen. Ich wollte nicht weinen, wenn Friedhelm kam, und vor
meinen Geschwistern, meinen Eltern schon gar nicht. Friedhelm hat mir von Romy
erzählt, die andern haben von Romy erzählt, dass sie sie kugelrund füttern,
mein Vadder sagte stolz, sie isst fetten Speck, dass sie schon laufen kann,
dass sie keine Angst hat vorm Hund. Später haben sie mir Bilder gezeigt, Romy
dick eingepackt auf einem Schlitten im Schnee. Ich hab mein eigenes Kind kaum
erkannt. Wenn sie raus waren, hab ich geheult. Ich war ja froh, dass sie sich
alle so kümmern in Bresekow, das haben sie gemacht, ja, die waren rein verrückt
nach Romy, meine Oma sowieso, sogar meine halbwüchsigen Schwestern. Trotzdem
war mir das wie ein Alptraum. Das war mir jedesmal komisch, die zu sehen da in
meinem Krankenhauszimmer, wie sie mit hängenden Köpfen um mein Bett rumstanden
wie auf ner Beerdigung und versuchten, mit mir zu sprechen. Denn wie ich da so
lag alle Tage, da dacht ich überhaupt nicht an früher, an meine Kindheit oder
so, das war alles weg, und da war ich eigentlich froh drüber. Ich dacht eigentlich
nur an die Zukunft, dass ich ein Kind hab, für das ich da sein will, ich musste
doch für mein Kind da sein. Ich weiß nicht, ob die auch gedacht haben, ich komm
nicht mehr wieder. Ich wollte das nicht denken, ich dachte, das darfst du nicht
denken, reiß dich zusammen, iss was. Ich konnte nicht. Ich konnte nix mehr
essen, gar nix mehr bei mir behalten. Verdacht auf Magen-Darm. Ich musste einen
Schlauch schlucken. Die Schwester ließ mich mit dem Schlauch im Mund da liegen.
Ich konnte keinen Schlauch schlucken, ohne kotzen zu müssen, ich musste kotzen,
aber ich lag auf dem Rücken und kam nicht rum, ich kam nicht rum. Mit mir im
Zimmer lag eine Bäuerin, die haben sie erst gequält, was die aushalten musste,
aber die hat immer noch plattdeutsche Witze erzählt, und ich könnt doch
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