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Zaehne und Klauen

Zaehne und Klauen

Titel: Zaehne und Klauen
Autoren: T. C. Boyle
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ich fühlte mich beschwingt und optimistisch. Daria schlief auf der Matratze, die Katze kauerte in ihrem Zimmer, und die Welt war in Ordnung. Ich kochte Kaffee, toastete Muffins und briet Eier, und als sie erwachte, war ich da. »Wie wäre es mit Frühstück im Bett?« murmelte ich, als ich mich mit einem Teller beidseitig gebratener Spiegeleier und einer Tasse Kaffee neben sie setzte.
    Ich war so darauf konzentriert, ihr beim Essen zuzuschauen, dass ich meinen eigenen Teller kaum anrührte. Nach einer Weile stand ich auf, um das Radio einzuschalten, und da war wieder der Song, den sie auf dem Nachhauseweg am Abend zuvor gespielt hatten, und wir hörten beide zu, ohne ein Wort zu sagen. Als der Discjockey mit seiner keuchenden, jugendlichen Stimme und seinen lahmen Witzen über den Sender kam, stand sie auf und ging, ohne an die Katze zu denken, an der Schlafzimmertür vorbei ins Bad. Dort blieb sie eine lange Weile, Wasser lief, die Toilettenspülung rauschte, sie duschte, und ich fühlte mich verloren ohne sie. Ich wollte ihr sagen, dass ich sie liebe, wollte ihr eine ganze Liste mit Einladungen überreichen: Sie sollte bei mir einziehen, für immer bei mir bleiben, ihre Katzen mitbringen, kein Problem, und wir könnten uns gemeinsam um die große Katze kümmern, ihre Bedürfnisse erfüllen, sie zähmen und in ihrem neuen Heim glücklich machen – kein Käfig mehr und viel Fleisch, jede Menge Fleisch. Ich wusch die Bratpfanne, als sie wieder herauskam, ein neues Handtuch ums Haar gewickelt. Sie war geschminkt und trug das Daggett’s-Outfit. »Hallo«, sagte ich.
    Sie erwiderte nichts. Sie beugte sich über die Couch und stopfte Sachen in ihre Tasche.
    »Du siehst toll aus«, sagte ich.
    Ein Geräusch drang aus dem Schlafzimmer, ein leiser Klagelaut wie der letzte keuchende Atemzug eines von der Katze erlegten Tiers, und ich fragte mich, ob sie dort drin etwas gefunden hatte, eine Ratte, einen verirrten Vogel, einen entkommenen Hamster oder eine Eidechse. »Hör mal, Junior«, sagte sie und ignorierte das Klagen, das jetzt höher und schwächer wurde, »du bist nett, wirklich, das bist du.«
    Ich stand hinter der Resopaltheke. Meine Hände steckten im Spülwasser. Etwas pochte in meinem Kopf, und ich wusste, was kommen würde, hörte es ihrer Stimme an, sah es in der Art, wie sie den Kopf einzog und den Blick abwandte.
    »Ich kann nicht – ich muss dir etwas sagen, okay? Weil du süß bist, das bist du, und ich ehrlich zu dir sein will.«
    Plötzlich wandte sie mir das Gesicht zu, durchbohrte mich mit dem Blick und sah wieder weg. »Ich habe einen Freund. Er studiert nicht hier. Und ich weiß nicht, warum … Ich meine, ich will dir keine falschen Hoffnungen machen. Es war nett. Wirklich.«
    Das Klagen wurde lauter und brach plötzlich ab. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte – die Situation war neu für mich, neu und trostlos. Plötzlich war ich verzweifelt, auf der Suche nach irgend etwas, irgendeiner List, dem Zauberspruch, der alles wieder in Ordnung bringen würde. »Die Katze«, sagte ich. »Was ist mit der Katze?«
    Ihre Stimme war leise. »Das wird schon werden. Gib ihm einfach zu fressen. Sei nett zu ihm.« Sie stand an der Tür, die Tasche über die Schulter geschlungen. »Geduld«, sagte sie, »mehr ist nicht nötig. Ein bisschen Geduld.«
    »Warte«, sagte ich, »warte.«
    »Ich muss gehen.«
    »Sehen wir uns später?«
    »Nein«, sagte sie. »Nein. Ich glaube nicht.«
    Kaum war ihr Pick-up vom Parkplatz gefahren, rief ich meinen Chef an. Er meldete sich nach dem ersten Klingeln, hob die Stimme, um die Geräusche im Hintergrund zu übertönen. Ich hörte die Fliesensäge, das unregelmäßige Schlagen eines Hammers, das Radio, aus dem ein überspannter rechter Propagandist tönte. »Ich will arbeiten«, sagte ich.
    »Wer spricht da?«
    »Junior.«
    »Montag, frühestens am Montag.«
    Ich erklärte ihm, dass ich, eingesperrt in meiner Wohnung, verrückt würde, aber er schien mich nicht zu hören. »Woran liegt es?« sagte er. »Geld? Ich gebe dir einen Vorschuss für nächste Woche, wenn du ihn wirklich brauchst, obwohl ich deswegen extra zur Bank muss, was ich nicht vorhatte. Was lästig ist. Aber ich mach’s. Du brauchst nur ein Wort zu sagen.«
    »Nein, ich brauche kein Geld, es ist nur –«
    Er schnitt mir das Wort ab. »Hörst du denn nie zu? Habe ich dir nicht gesagt, du sollst losziehen und dir ein Mädchen suchen? Das tut man nämlich in deinem Alter. Ich habe es jedenfalls
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