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Zaehne und Klauen

Zaehne und Klauen

Titel: Zaehne und Klauen
Autoren: T. C. Boyle
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im Herzen meines Lebens entdecken. »Ja«, sagte ich, »die Tür dort, links neben dem Bad«, aber sie war bereits im Schlafzimmer, schob Sachen beiseite, ein konzentriertes Stirnrunzeln zwischen den Augen.
    »Du wirst hier ausräumen müssen«, sagte sie. »Das Bett, alles. Deine Sachen.«
    Ich stand in der Tür und sah ihr zu. »Wie meinst du das, ›ausräumen‹?«
    Sie hob den Kopf. »Du glaubst doch nicht etwa, dass das Tier im Käfig bleiben kann, oder? Es kann sich da drin kaum umdrehen. Und es ist einfach grausam.« Sie sah mich wieder mit diesem Blick an, dann stemmte sie die Hände in die Hüften. »Ich helfe dir«, sagte sie. »Es wird keine zehn Minuten dauern …«
    Dann mühten wir uns zu zweit mit dem sperrigen Käfig die Treppe hinauf. Die Plane lag noch fest verknotet darüber, sowohl um den Regen abzuhalten als auch um ihn vor Nachbarn zu verstecken, die zufällig vorbeikommen mochten, und obwohl wir ihn auf der Treppe schräg halten mussten, gab das Tier keinen Laut von sich. Den Käfig durch die Tür zu bringen war ein kleines Problem – die Katze schien sich in lautlosem Protest schwer zu machen –, aber wir schafften es, dann manövrierten wir ihn ins Schlafzimmer und setzten ihn mitten auf dem Teppich ab. Daria hatte in der Ecke auf mehreren Lagen Zeitungen bereits das Katzenklo aufgestellt, und sie hatte meinen größten Kochtopf mit Wasser gefüllt und neben der Tür positioniert, wo ich ihn leicht erreichen konnte. »Okay«, sagte sie und sah mich zufrieden an, »Zeit für die Entschleierung«, und sie beugte sich vor, um die Plane zu lösen.
    Das Deckenlicht strahlte hell, die Plane glitt vom Käfig und zu Boden, und da war die Katze, mit angezogenen Gliedmaßen gegen den Draht gedrückt, die gelben Augen musterten uns. »Liebes Kätzchen«, gurrte Daria. »Will es aus dem schrecklichen Käfig raus? Hmm? Und Fleisch – will es Fleisch?«
    Bislang hatte ich wie benommen alles mitgemacht, aber jetzt wurde es problematisch. Wer wusste, was das Tier tun würde, was für Gewohnheiten, Bedürfnisse es hatte? »Wie sollen wir …«, setzte ich an und ließ den Rest unausgesprochen. Das Deckenlicht brannte auf mich herunter, und der Alkohol flüsterte in meinem Blut. »Du erinnerst dich doch noch, was der Typ über das Füttern gesagt hat, oder?« In meinem Hinterkopf lauerte der Schimmer einer weiteren Komplikation: Wenn es einmal aus dem Käfig wäre, wie sollten wir – wie sollte ich – es jemals wieder hineinbringen?
    Zum ersten Mal blickte Daria zweifelnd drein. »Wir müssen schnell sein«, sagte sie.
    Und das waren wir. Daria stand an der Schlafzimmertür, bereit, sie zuzuknallen, während ich mich mit klopfendem Herzen vorneigte und den Riegel am Käfig zurückschob. Damals war ich geschmeidig – dreiundzwanzig Jahre alt und mit ausgezeichneten Reflexen trotz der vier oder fünf Jack-mit-Cokes, die ich im Lauf des Abends geschluckt hatte –, und ich sprang zur Tür, kaum war der Riegel zurückgeschoben. Erregung erfüllte mich. Und auch die Katze, weil sie beim ersten Klicken des Riegels zum Leben erwachte, als hätte sie ein Stromschlag getroffen. Ein Kreischen zerriss das Zimmer, die Käfigtür flog auf, und das Tier sprang verwischt durch die Luft und knallte gegen das billige Sperrholz der Schlafzimmertür, als Daria und ich sie gerade geschlossen hatten.
    Am Morgen (sie schlief auf der Couch, zusammengerollt wie ein Fötus, und schnarchte leise; ich lag ausgestreckt auf der Matratze aus dem Schlafzimmer, die wir unter dem Fernseher an die Wand geschoben hatten) sah ich mich mit mehreren Problemen konfrontiert. Ich war vor ihr erwacht, aus einem traumlosen Schlaf gerissen von einem Bewusstseinsblitz, und eine ganze Weile lag ich bloß da und sah sie an. Ich hätte sie den ganzen Morgen betrachten können, fasziniert von ihrer Anwesenheit, ihrem Haar, ihrem entspannten Gesicht, wenn die Katze nicht gewesen wäre. Sie war nicht zu hören, und sie stank nicht, noch nicht, aber ihre Existenz teilte sich mir dennoch mit – sie war da, und ich spürte sie. Ich musste sie füttern, und nach der Episode vom vergangenen Abend erforderte das einen Plan und Vorbereitungen, und ich musste auch Daria etwas anbieten, schon allein, damit sie noch etwas länger blieb. Eier, ich könnte Rühreier machen, aber ich hatte keinen Toast, keine Milch, keinen Zucker für den Kaffee. Und sie würde sich im Bad waschen wollen – Frauen wuschen sich morgens, dessen war ich ziemlich sicher. Ich dachte an
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