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Zaehne und Klauen

Zaehne und Klauen

Titel: Zaehne und Klauen
Autoren: T. C. Boyle
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Würfelspiel.
    Und seit wann hatte er ihn? Seit zwei Jahren.
    Hatte er einen Namen? Kater. Einfach Kater. Und ja, es war ein Männchen, und nein, er wollte ihn nicht loswerden, aber er hatte einen neuen Job in Übersee und konnte ihn unmöglich mitnehmen, deswegen meinte er, es wäre korrespondierend – das war das Wort, das er benutzte, korrespondierend –, er wollte ihn abgeben, wie er ihn bekommen hatte.
    Er wandte sich mir zu. »Wie heißt du gleich noch mal?«
    »Junior«, sagte ich. »James Jr. Turner, ich meine James Turner junior. Aber alle nennen mich Junior.« Ich wollte hinzufügen: »Wegen meines Vaters, damit die Leute uns nicht verwechseln«, aber ich beließ es dabei, weil es nur kompliziert geworden wäre angesichts der Tatsache, dass mein Vater seit einem halben Jahr tot war und ich sein konnte, wer immer ich sein wollte.
    »Okay, Junior, hier ist der Deal«, sagte Ludwig. »Deine zehn Kröten gegen die Katze, einmal würfeln, was sagst du dazu?«
    Ich wollte sagen, dass ich keinen Platz hatte für das Tier, dass ich keine Katze welcher Art auch immer wollte und auch kein Meerschweinchen oder einen Fisch in einer Glaskugel, dass die zehn Dollar unwichtig waren, aber alle sahen mich an, und ich konnte keinen Rückzieher machen, ohne dass mir die Schamesröte ins Gesicht gestiegen wäre – und Daria war ebenfalls zu berücksichtigen, weil auch sie mich ansah. »Ja«, sagte ich. »Ja, okay, klar.«
    Sechzig Sekunden später war ich noch immer solvent und eine Katze und einen Käfig reicher. Ich hatte Glück gehabt – oder Pech, je nachdem, wie man es sehen wollte – und drei Fünfer und zwei Vierer gewürfelt; Ludwig würfelte insgesamt elf. Er trank sein Bier in einem Zug aus, schüttelte mir die Hand, um den Deal zu besiegeln und mich zu beglückwünschen, und dann ging er zur Tür. »Aber was soll ich ihm zu fressen geben?« rief ich. »Ich meine, was frisst er?«
    »Eier«, sagte er. »Er liebt Eier. Und Fleisch. Rohes Fleisch. Kein Trockenfutter, Trockenfutter kannst du vergessen. Es ist ein wildes Tier, und so solltest du es auch behandeln.« Er stand an der Tür, schaute hinunter auf das Ding mit einem Blick, der wehmütig oder zufrieden war, ich hätte es nicht sagen können, dann griff er an die Rückseite des Käfigs, um dort etwas zu lösen – schwarzes Leder schimmerte – und mir zuzuwerfen: Es war ein Handschuh oder vielmehr ein Schutzhandschuh, so lang wie mein Arm. »Den solltest du anziehen, wenn du ihn fütterst«, sagte er, und dann war er verschwunden.
    Einen langen Augenblick starrte ich auf die Tür und versuchte zu begreifen, was geschehen war, dann schaute ich zu den Stammgästen – in ihre Gesichter – und zu den anderen Gästen, Leute aus dem Ort oder vielleicht auch Touristen, die auf ein Bier oder einen Burger oder das Menu des Tages hereingekommen waren und sich jetzt mit dieser Fremdartigkeit konfrontiert sahen, und schließlich zum Käfig. Daria beugte sich darüber, gurrte das Tier darin an, Ludwigs Eier in der Hand. Sie war klein und kompakt, auf konventionelle Weise hübsch mit den runden Augen und den symmetrischen Gesichtszügen eines Mädchens aus einem japanischen Zeichentrickfilm, ihre Joggingschuhe nicht größer als die eines Kindes, das blonde Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst, und all das war mir schon früher aufgefallen, in wochenlangen Studien, aber jetzt bemerkte ich es mit der Wucht einer Offenbarung. Sie war wunderschön, ein wunderschönes Mädchen, auf ein Knie gestützt, die Shorts hinten nach oben gerutscht, das T-Shirt unterhalb des Busens gebauscht, und bot der Katze – meiner Katze – ein kleines bisschen Trost, als wäre es ein Kätzchen, das sie verlassen auf der Straße gefunden hatte.
    »Himmel, was willst du mit dem Tier machen?« Chris war hinter der Bar hervorgekommen, stand neben mir und blickte ehrfürchtig drein.
    Ich sagte, dass ich es nicht wüsste. Dass ich nicht vorgehabt hätte, eine Wildkatze zu halten, dass ich bis vor fünf Minuten nicht einmal gewusst hätte, dass es so etwas gab – Servale.
    »Lebst du hier in der Gegend?«
    »Bayview Apartments.«
    »Sind dort Haustiere erlaubt?«
    Ich hatte nie darüber nachgedacht, aber sie waren erlaubt, es musste so sein – der Mann neben mir hatte zwei japsende kleine Hunde mit Schleifen im Haar, und die Frau am anderen Ende des Flurs hatte einen Dobermann, dessen Krallen jedesmal, wenn sie kam oder ging, was sie ungefähr hundertmal am Tag zu tun schien, über das
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