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Zaehne und Klauen

Zaehne und Klauen

Titel: Zaehne und Klauen
Autoren: T. C. Boyle
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Linoleum kratzten. Aber das hier war etwas anderes. Das war etwas, was die Parameter des Standardmietvertrags sprengte. »Ja«, sagte ich, »ich glaube schon.«
    Wo die Tür des Käfigs eingehängt war, gab es den einzigen Spalt, der breit genug war, um ein Ei durchzuschieben, ohne die Schale zu zerdrücken, und Daria, die noch immer gurrte, rollte das erste Ei, dann das zweite durch die Öffnung. Einen Augenblick lang geschah nichts. Dann veränderte die Katze, die sich gegen den Maschendraht drückte, kaum merklich die Position und nahm das erste Ei ins Maul – zwei Zähne, spitz wie Spritzen, ein Knirschen und dann das leise Raspeln der Zunge.
    Daria stand auf und trat mit einem Ausdruck der Verwunderung zu mir. »Unternimm nichts, bis meine Schicht zu Ende ist, okay?« sagte sie und griff in ihrem Eifer nach meinem Arm. »Um neun habe ich Schluss, also warte, okay?«
    »Ja«, sagte ich. »Klar.«
    »Wir können ihn fürs erste hinten in den Lagerraum stellen, und dann können wir ihn mit meinem Pick-up …«
    Ich hatte nicht die Muße, um darüber nachzudenken, wie kompliziert plötzlich alles geworden war, und selbst wenn – ich hätte mich nicht anders verhalten. Ich nickte nur, schaute in ihre runden Augen und nickte.
    »Es wird sich wohl fühlen«, sagte sie und fügte hinzu: »Wirklich«, als hätte ich ihr widersprochen. »Ich muss jetzt wieder arbeiten, aber du wartest, okay? Du rührst dich nicht von der Stelle.« Chris sah uns zu. Der Manager sah zu. Die Stammgäste und die Hälfte der anderen Gäste reckten die Hälse. Daria strich ihre Schürze glatt, fuhr sich übers Haar. »Wie war doch gleich dein Name?«
    Ich hatte also eine Katze. Und eine Freundin. Wir hievten den Käfig auf die Ladefläche ihres roten Toyota Pick-up, warfen eine Plane darüber, damit das Tier nicht nass wurde, und fuhren zu Von’s, wo ich Daria dabei zusah, wie sie die Gänge entlangging, Katzenstreu und das größte Katzenklo aussuchte (wir entschieden uns für eine Abwaschschüssel aus hartem blauem Plastik, die so gut wie unzerstörbar schien), und dann marschierten wir in die Fleischabteilung. »Ich habe nur zehn Dollar«, sagte ich.
    Sie bedachte mich mit einem vernichtenden Blick. »Das Tier muss fressen«, teilte sie mir mit und langte an ihren Hinterkopf, um das Band um ihren Pferdeschwanz abzuziehen, so dass ihr das Haar glänzend über die Schultern fiel, ein Sturm aus Haaren, fließend und locker, die Spitzen glitten über ihren Rücken wie Flüssigkeit in Bewegung. Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. »Aber du hast doch eine Kreditkarte, oder?«
    Zehn Minuten später dirigierte ich sie zu meinem Wohnblock, wo sie neben dem Mustang parkte, den ich geerbt hatte, als mein Vater starb, dann gingen wir die Außentreppe hinauf und den Laubengang entlang zu meiner Wohnung im ersten Stock. »Sorry«, sagte ich, öffnete die Tür und drückte auf den Lichtschalter, »aber ich bin leider keine gute Hausfrau.« Ich wollte hinzufügen, dass ich auch nicht mit Besuch gerechnet und deswegen nicht aufgeräumt hatte, aber Daria trat einfach ein, räumte Platz auf der Küchentheke frei und stellte die Einkaufstüten ab. Ich betrachtete ihre Schultern, als sie in die Tiefen einer Tüte nach der anderen griff und Hühnerteile und Ribeyesteaks (heruntergesetzt für den schnellen Verkauf) im Wert von vierzig Dollar herausholte.
    »Okay«, sagte sie und drehte sich zu mir um, nachdem sie alles im Kühlschrank verstaut hatte, »wohin mit der Katze? Ich glaube nicht, dass wir sie noch lange draußen auf dem Wagen lassen sollten, oder? Katzen mögen keinen Regen, das weiß ich – ich habe zwei. Eins ist noch ein Kätzchen.« Sie stand auf der anderen Seite der Küchentheke, ein Durcheinander verkrusteter Teller und Gläser, in denen unterschiedliche Kolonien Schimmel wuchsen, trennte uns. »Du hast doch ein Schlafzimmer, oder?«
    Hatte ich. Aber wenn mir schon der Zustand der Küche und des Wohnzimmers peinlich war – es war mein erster Versuch, allein zu leben, und das Bedürfnis nach Ordnung war mir nicht wirklich wichtig gewesen –, so erschien mir der Zustand des Schlafzimmers, mit dem Chaos schmutziger Kleidung und Bettwäsche, den stinkenden Arbeitsschuhen und der Reisetasche, aus der ich bislang lebte, höchst bedenklich. Hier stand diese wunderschöne Erscheinung in der Küche, die einzige Person außer meiner Tante, die jemals über die Schwelle meiner Wohnung getreten war, und jetzt sollte sie die traurige einsame Unordnung
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