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Zaehne und Klauen

Zaehne und Klauen

Titel: Zaehne und Klauen
Autoren: T. C. Boyle
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gemacht.«
    »Kann ich nicht einfach, na ja, aushelfen?«
    »Montag«, sagte er.
    Ich war plötzlich wütend und knallte den Hörer auf. Mein Blick wanderte zu dem in die Schlafzimmertür gebohrten Loch und dann zu den Frühstückstellern, Eidotter, der in leuchtendgelben Streifen trocknete, das Muffin, Darias Muffin, unberührt bis auf ein kleines Stück, das sauber aus der Kugel gebissen war. Es war Freitag. Ich hasste mein Leben. Wie hatte ich nur so dumm sein können.
    Im Schlafzimmer war es totenstill, und als ich meine Sneakers zuschnürte, bekämpfte ich den Drang, zum Guckloch zu gehen und nachzusehen, was die Katze in der Nacht angerichtet hatte – ich wollte einfach nicht darüber nachdenken. Ob sie wie der schlechte Geruch eines Alptraums verschwunden war oder sich durch die Wand gefressen und die japsenden kleinen Hunde des Nachbarn verschlungen hatte oder ausgebrochen war und sich auf ein Schiff nach Afrika geschmuggelt hatte, es war mir einerlei. Ich wusste nur, dass ich nicht versuchen würde, sie allein, ohne Daria, zu füttern. Von mir aus konnte sie verhungern, verhungern und verrotten.
    Schließlich fischte ich eine Jeansjacke aus dem Kleiderhaufen auf dem Boden und ging zum Strand. Es war bewölkt, und ein kalter Ostwind fegte über den Sand. Ich ging stundenlang spazieren und dann, in Ermangelung von etwas Besserem, ins Kino. Danach aß ich ein Sandwich in einem neuen Laden, in dem angeblich Studenten herumhingen. Soweit ich es beurteilen konnte, waren keine Studenten da, nur alte Männer, die auch nicht anders aussahen als die Stammgäste von Daggett’s, und sie hatten ihre breitschultrigen alten Frauen und ihre plärrenden unglücklichen Kinder dabei. Um vier war ich in der ersten Bar, und um sechs war ich betrunken.
    Ich versuchte, Daggett’s zu meiden – Gib ihr einen oder zwei Tage, sagte ich mir, nörgle nicht, sei ihr nicht lästig –, aber um Viertel vor neun stand ich dort am Tresen und bestellte bei Chris einen Jack-mit-Coke. Chris sah mich kurz an, alles hatte sich seit gestern verändert. »Bist du sicher?« sagte er.
    Ich fragte ihn, was er meine.
    »Du siehst aus, als hättest du genug, Junge.«
    Ich reckte den Hals und schaute mich nach Daria um, sah aber nur die Stammgäste, die vor ihren Getränken saßen. »Schenk einfach ein«, sagte ich.
    Die Musik war ein hartnäckiges Ärgernis, tote Musik, uralt, von niemandem geschätzt, nicht einmal von den Stammgästen. Sie dröhnte einfach nur weiter. Chris stellte den Drink vor mich hin, und ich hob ihn an die Lippen. »Wo ist Daria?« fragte ich.
    »Sie hat früh aufgehört. Hat gesagt, dass sie müde ist. Ruhiger Abend, verstehst du?«
    Ich war enttäuscht, eifersüchtig, hasserfüllt. »Hast du ihre Telefonnummer?«
    Chris sah mich misstrauisch an, weil er etwas wusste, was ich nicht wusste. »Willst du damit sagen, dass sie dir ihre Nummer nicht gegeben hat?«
    »Ja«, sagte ich, »wir haben nie – also, sie war bei mir zu Hause …«
    »Wir dürfen keine persönlichen Informationen weitergeben.«
    »An mich? Ich sagte, sie war bei mir zu Hause. Letzte Nacht. Ich muss mit ihr reden, und es ist dringend – wegen der Katze. Sie hat wirklich ein Faible für die Katze.«
    »Tut mir leid.«
    Das kriegte er zurück. »Es tut dir leid? Scheiß drauf – mir tut es auch leid.«
    »Weißt du was, Junge –«
    »Junior, ich heiße Junior.«
    Er neigte sich über den Tresen, stützte beide Arme auf und sagte sehr leise: »Ich glaube, es ist Zeit, dass du gehst.«
    Es hatte angefangen zu regnen, ein leises Plätschern im Laub, das bestimmter und härter wurde, während ich nach Hause ging. Autos fuhren auf der Straße vorbei mit einem Geräusch wie zerreißendes Papier, ganze Welten im Schlepptau. Die Straßenbeleuchtung war dämmrig. Niemand war zu sehen. Als ich die Anhöhe zu meiner Wohnung hinaufging, sah ich den Mustang im Carport stehen, und obwohl ich gegen die Kombination Trinken und Autofahren bin – eine Lektion, die ich vom unglücklichen Beispiel meines Vaters gelernt hatte –, setzte ich mich hinter das Lenkrad und fuhr mit einer kristallinen Klarheit zur Baustelle, die mir in jeder anderen geistigen Verfassung angst gemacht hätte. Dort befand sich eine Aluminiumleiter, und darauf konzentrierte ich mich – auf das Bild, wie sie dort an der Mauer lehnte –, bis ich ankam, sie durch den Dreck zog und auf dem Dach des Wagens festband, ohne an die Anstreicher oder sonst irgend etwas zu denken.
    Wieder zurück, fummelte ich
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