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Zaehne und Klauen

Zaehne und Klauen

Titel: Zaehne und Klauen
Autoren: T. C. Boyle
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Molekülen des Spülmittels eingeweicht, das ich von meiner Tante mitgebracht hatte. Der letzte Touch waren saubere Laken und eine leichte Decke, die ich gefaltet und andeutungsvoll über die Armlehne der Couch drapiert hatte.
    Daria schien nichts davon zu bemerken – sie ging geradewegs zur Schlafzimmertür und drückte das Auge ans Guckloch. »Ich sehe nichts«, sagte sie, lehnte sich in ihrer Shorts an die Tür, die Muskeln in ihren Waden spannten sich an, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte. »Zu dumm, dass wir nicht an ein Nachtlicht oder so gedacht haben –«
    Ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln – bewunderte sie, staunte erneut über ihre Anwesenheit –, während ich den Korkenzieher in die Flasche schraubte. Ich fragte sie, ob sie ein Glas Wein wollte. »Chardonnay«, sagte ich. »Aus Kalifornien, wirklich ganz ausgezeichnet.«
    »Gern«, sagte sie, wandte sich von der Tür ab und kam durch das Zimmer zu mir. Ich hatte keine Weingläser, und wir mussten uns mit den milchweißen Wassergläsern begnügen, die meine Tante aus einer Schachtel im Keller ausgegraben hatte. »Vielleicht könntest du den Arm durch die Tür stecken und das Licht da drin einschalten«, sagte sie. »Ich mache mir Sorgen um ihn. Und außerdem müssen wir ihn füttern.«
    »Klar«, sagte ich, »ja, kein Problem«, aber ich hatte es nicht eilig. Ich schenkte Wein nach, holte die Chipstüte und das Salsaglas, über die sie sich zu freuen schien. Eine Zeitlang standen wir an der Küchentheke, aßen Chips und tranken Wein, dann ging sie zum Kühlschrank, holte eine Scheibe Fleisch heraus und tupfte sie mit Küchentüchern ab. Ich verstand ihren Hinweis, zog den Handschuh an, wappnete mich und stieß die Schlafzimmertür gerade so weit auf, dass ich die Hand hineinschieben und das Licht einschalten konnte. Die Katze, die nachts selbstverständlich hervorragend sah, riss mir fast den Handschuh vom Arm, aber das plötzliche Licht verwirrte sie lange genug, dass ich die Situation retten konnte. Die Tür knallte zu, der Serval jaulte verblüfft auf.
    Daria schaute sofort durch das Guckloch. »O mein Gott«, murmelte sie.
    »Was tut er?«
    »Tigert hin und her. Aber schau selbst.«
    Der Teppichboden – auch noch der letzte Streifen – war vom Boden gerissen, mit Nägeln gespickte, schmutzige Sperrholzplatten lagen bloß, und in der verputzten Wand links neben dem Fenster war ein Loch. Ein großes Loch. Auch durch die geschlossene Tür roch ich den Gestank von Katzenpisse oder was immer sie verspritzte. »So viel zu meiner Kaution«, sagte ich.
    Sie stand direkt neben mir, die Hand auf meiner Schulter. »Er wird sich beruhigen«, versicherte sie, »sobald er sich an das Zimmer gewöhnt hat. Alle Katzen sind so – sie müssen ihr Revier behaupten.«
    »Du glaubst nicht, dass er zwischen die Wände kriechen kann, oder?«
    »Nein«, sagte sie, »nie und nimmer, er ist zu groß.«
    Das einzige, was mir nach einem ganzen Tag des Trinkens noch einfiel, war, Wein nachzuschenken, was ich tat. Dann wiederholten wir das Ritual des Fütterns – das Steak auf der Gabel, der verwischte Sprung der Katze, der heftige Aufprall gegen die Tür – und schauten abwechselnd durchs Guckloch. Nach einer Weile, von dem Spektakel gelangweilt – oder »gesättigt«, das ist das bessere Wort –, setzten wir uns auf die Couch und sahen einen Film, tranken den Wein aus, aßen die Chips und hörten überhaupt nicht mehr auf zu reden, eine Bemerkung zum Film führte zu einer Diskussion über Filme im allgemeinen, eine Überlegung zum Wein grub unsere Erlebnisse bei Weinproben und die Schrecken des Rotweins von Cribari und der Obstweine von Boone’s Farm aus. Bevor wir es merkten, war es Mitternacht, und sie gähnte und streckte sich.
    »Ich muss jetzt wirklich nach Hause«, sagte sie, rührte sich aber nicht. »Ich bin fertig. Wirklich fertig.«
    »Du kannst gern hierbleiben«, sagte ich, »ich meine, wenn du nach all dem Wein nicht mehr fahren willst …«
    Ein Augenblick verstrich, keiner sagte ein Wort, dann gab sie einen summenden Laut von sich – »Mmmm« – und streckte mir die Arme entgegen, während sie sich auf die Couch sinken ließ.
    Am Morgen erwachte ich vor ihr, war darauf bedacht, sie nicht zu wecken, als ich von der Matratze aufstand, auf der wir geschlafen hatten, weil die Couch für zwei zu schmal war. Mein Kopf schmerzte – so viel Alkohol war ich nicht gewohnt –, und das Bild der Katze lauerte irgendwo hinter diesem Schmerz, aber
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