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Zaehme mich

Zaehme mich

Titel: Zaehme mich
Autoren: Emily Maguire
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zu schieben. »Wie ist es möglich, dass du immer genau weißt, was du sagen musst? Ich war so ätzend und gemein zu dir, und du – ah!« Er drängte in sie. »Oh Sarah, ich fürchte, ich werde noch vor deinem fünfzehnten Geburtstag all deine Ehren zu Staub zerreiben. Du arme Kleine, o Gott, tu ich dir weh?«
    »Nein«, antwortete sie, obwohl es wehtat. »Ich tu dir weh, oder?« Er wurde schneller. »Sag es mir, Sarah, bitte.
    Tu ich dir weh?«
    »Ja, es tut weh. Aber es gefällt mir, Mr. Carr, wirklich.«
    Er stöhnte, und es war vorbei. »Ach, meine kleine Sarah.
    Du weißt immer, was du sagen musst.«
    »Sarah?«
    Es war Freitagabend, und sie hatten es sich auf der Couch in Jamies Wohnzimmer bequem gemacht. Im Fernsehen lief MTV, aber keiner von beiden sah hin.
    Sarah las Madame Bovary, und Jamie blätterte im Rolling Stone.
    »Hmm?« Sie blickte nicht auf. Seit dem Referat über Emily Dickinson hatte Jamie keine zwei Worte mit ihr geredet. Sie fragte sich, ob er sie jetzt darauf ansprechen würde.
    »Was zu trinken?«
    Sie seufzte. »Nöh.«
    Jamie ging hinaus und kam mit einer Cola und einer Tüte Doritos wieder. Er hockte sich auf den Boden, machte seine Dose auf und nahm einen Schluck. Dann öffnete er die Chips und mampfte knirschend eine Hand voll. »Also«, meinte er.
    »Was?«
    »Du und Mr. Carr, ihr seid also wirklich …«
    Sarahs Herzschlag setzte kurz aus. Sie klappte ihr Buch zu und setzte sich aufrecht hin. »Ja, hab ich dir doch gesagt.«
    Er nickte. »Ich dachte … Ähm, ihr küsst euch also und so?«
    »Ja.«
    Jamie genehmigte sich noch einen Schluck. »Hast du es mit ihm gemacht?«
    Sie nickte.
    »Scheiße.« Jamie stand auf und trat nach einer Bohnentüte. »Scheiße, Sarah, das ist doch … der muss doch schon vierzig sein!«
    »Nein, er ist erst achtunddreißig.«
    »Er ist unser Lehrer!«
    »Wir lieben uns.«
    Jamie setzte sich wieder hin und klaubte seine Zeitschrift auf. Nach einiger Zeit wandte sich Sarah wieder ihrem Roman zu. Sie fühlte sich von ihm im Stich gelassen, war sich aber nicht sicher warum. Was hatte sie denn erwartet? Glückwünsche vielleicht? Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie sich in der umgekehrten Situation fühlen würde, doch der Gedanke, dass Jamie mit einer Frau machte, was Mr. Carr mit Sarah machte, war einfach grotesk. Bei einigen Sachen, die sie mit Mr. Carr erlebte, wäre sie überrascht gewesen, wenn Jamie überhaupt schon einmal davon gehört hätte. Schließlich hatte sie sie auch erst kennen gelernt, als Mr. Carr sie ihr beibrachte. Noch vor zwei Monaten war sie genauso unschuldig gewesen wie Jamie; jetzt bezweifelte sie, ob es überhaupt noch irgendwas an Sex gab, was sie schockieren konnte.
    »Bist du jetzt sauer?«, fragte sie Jamie beim Abschied.
    Er zuckte die Achseln. »Wer weiß sonst noch davon?«
    »Bloß du. Du wirst es niemandem sagen, oder?« Er schüttelte den Kopf. Sarah glaubte eine Träne in seinem linken Auge zu sehen, doch er wandte sich ab, bevor sie sicher sein konnte. »Gute Nacht.« Er schloss die Tür. Zum ersten Mal überhaupt hatte er ihr nicht angeboten, sie nach Hause zu begleiten.

5
    Manchmal ließ er sich den Englischlehrer so sehr heraushängen, dass es sie in den Wahnsinn trieb. Als er die Tür zum Umkleideraum verschloss, ließ sie eine Bemerkung darüber fallen, dass sie gerade Madame Bovary zu Ende gelesen hatte, und jetzt wollte er wertvolle gemeinsame Zeit mit einem Gespräch darüber verschwenden.
    »Wir können doch danach reden.«
    Er lächelte. »Kannst es wohl nicht mehr erwarten?«
    Sarah schüttelte ihre Schultasche ab. »Die Wochenenden dauern immer so lang. Bis es dann endlich Montagnachmittag ist, bin ich einfach so …«
    »Geil?«
    Sie spürte, wie sie rot anlief. So was sagten sonst immer nur die Mädchen beim Rauchen auf der Toilette über Jungs, mit denen sie an Samstagabenden in der Gegend herumfuhren. Sarah fand dieses Wort nicht angemessen zur Beschreibung ihrer Gefühle.
    »Das ist es nicht. Ich hab Sie einfach vermisst.«
    »Also, dann beeil dich und setz dich hin.« Er zeigte auf die Stahlbank, die quer durch den Raum verlief. »Sprich mit mir.« Er ließ sich zu ihren Füßen nieder und blickte zu ihr auf. »Erzähl mir, was du von Emma Bovary hältst.«
    Sarah seufzte. »Ich weiß nicht. Eigentlich hab ich sie gehasst, vor allem weil sie ihr Kind so schlecht behandelt.
    Aber irgendwie hat sie mir auch Leid getan.«
    »Und warum?«
    »Na ja, sie hat nach etwas Besonderem gesucht, nach
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