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Yolo

Yolo

Titel: Yolo
Autoren: Gisela Rudolf
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kann ja sein«, sagt sie, »dass Ihnen etwas zusagt.«
    • Walken für Einsteiger (vor Bootshaus)
    • Einstündiger Spaziergang (Start Eingangspforte)
    • Diät bei Übergewicht (im blauen Salon)
    • Mein Leben nach dem Infarkt (Fernsehzimmer)
    »Übrigens«, erkläre ich, bevor ich wieder zum Aufzug gehe, »ich bin nicht verheiratet, nur liiert. Für mich ist das nicht unwichtig, eigenständig zu sein. Und ich werde auch ein Single bleiben.«
    »Aber sicher, Frau Dornbach, selbstverständlich.«
    Im Aufzug erschreckt mich mein eigenes Spiegelbild. Der Park ist sorgfältig gepflegt. Kaum ein Unkraut treibt durch den Kies, die Rosenbeete sind spiegelbildlich angelegt, Rondellen trennen die Baumwurzeln vom Rasen, neben jeder Sitzbank steht ein Papiereimer. Den breiten Hauptweg kreuzen unzählige Pfade. Ein Bereich, immerhin, ist unberührt geblieben, wild und idyllisch wie ein romantisches Bild. Das Werk von Jahrzehnten: Mag das Efeu auch die knorrigen Stämme überwuchern, mögen sich die Laubkronen völlig schräg dem Licht zu gebeugt und die Büsche verästelt haben, mag das Rinnsal auch den Tümpel nur schwach bewässern – dieser Winkel hat eine einzigartige Ausstrahlungskraft. Wie kann ein alter Garten so unverwechselbar schön sein! Während in einem Altersheim alles bloß welkt und schrumpft …
    Ich gelange zum Ufer des kleinen Sees, von dem DeLauro erzählt hat. Auf dem Wasser wiegen zwei Ruderboote hin und her.
    In sich selber verankert sein!
    Ich setze mich auf eine Bank, nehme das geschrumpfte Croissant heraus und werfe die Brösel ringsum zu Boden. Unterdessen kommt eine junge Frau über einen geschwungenen Weg näher und näher. Sie hat weder Krücken noch einen Stock, ist poppig angezogen, pfeift – während ich wie ein greises Weib mit Krümeln Vögel anlocke.
    Ich erhebe mich und gehe ihr möglichst unbeschwert entgegen. Bevor sie an der Kreuzung abbiegt, rufe ich ihr zu: »Verzeihung, können Sie mir sagen, welcher Weg wohin führt?«
    »Kein Weg führt irgendwohin. Jeder Weg führt nirgendwohin.«
    Sie lacht und spaziert weiter.
    »Darf ich?«
    »Danke.«
    »Bitte.«
    »Oh, Sie möchten das Salz.«
    »Ja, gerne.«
    »Danke.«
    »Wären Sie so nett und …«
    Sobald jeder alles hat, wieder nur das Geräusch unserer Bestecke. Ich empfinde unsere Anstandsfloskeln beim Essen zunehmend als Hohn.
    Um die Stille zu unterbrechen, erzähle ich von der flippigen Frau im Park. Das bringt das Gespräch auf »echte Spinner und parasitäre Individuen«, wie Kroner das zusammenfasst: »Ja, so ist das neuerdings. Kaum hast du Probleme am Arbeitsplatz oder kommst privat nicht mehr zurecht, gehst du einfach zum Arzt – und schon kassierst du Gratisferien! Burn-out heißt die neue Mode, aber wenn unsereiner …»
    Ich bin erleichtert, dass der sonst stumme Feigenblatt Kroner unterbricht: »Das sind keine Parasiten. Laut Pro Infirmis sind vierzig Prozent der Bevölkerung psychisch krank.«
    »Sag ich doch«, ereifert sich Kroner, »wer heutzutage nicht depressiv ist oder einen Burn-out hat, ist ja schon fast nicht mehr normal. Apropos: Gehören Sie zu den sechzig oder vierzig Prozent?«
    So unerwartet, wie Feigenblatt das Wort ergriffen hat, so plötzlich zieht er sich wieder in sich zurück, isst weiter. Er hat den Dreitagebart rasiert. Nicht zu seinem Vorteil. Die nunmehr kahle Haut wirkt in dem braungebrannten Gesicht insbesondere um die Mundpartie grotesk. Noch etwas bleicher, und Feigenblatt entspräche dem Bild des traurigen Clowns.
    DeLauro lenkt von der Psychiatrie ab: »Vor dem Essen hat mich mein Enkel angerufen, er ist mitten im Abitur. Sobald er es geschafft hat, lade ich ihn nach Rom, Firenze und Siena ein. Er will Kunstgeschichte studieren.«
    »Sie haben schon einen erwachsenen Enkel?«
    »Sie Schmeichlerin!«
    »Apropos Prozente«, nimmt Kroner das vorherige Thema wieder auf, »kürzlich habe ich gelesen, dass Menschen über achtundneunzig Prozent ihres Erbgutes mit Schimpansen gemeinsam haben.«
    Ob der arme Clown Kroner an ein Affengesicht erinnert?
    Erneut lenkt DeLauro ab: »Möchte jemand meinen Wein kosten? Ein exzellenter Tropfen aus dem Veneto.«
    Da niemand reagiert, schenkt DeLauro sich selber einen Schluck ein.
    »Beim Erbgut von Mensch und Hund«, fährt Kroner ungeniert weiter, »sollen sich mehr als ein Viertel überlappen.«
    »Sie scheinen ein Tierfreund zu sein«, sage ich zu ihm.
    »Ja, was Hunde anbelangt. Also, ohne Hund könnte ich nicht leben. Sie sollten mal meinen
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