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Yolo

Yolo

Titel: Yolo
Autoren: Gisela Rudolf
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weiteren Argumenten habe ich mich gegen diese Klinik gewehrt. Christian blieb anderer Meinung. Sodass ich ihn schließlich fragte, ob er mich loshaben will. Unsere Diskussion fand im Bett statt, und als Mann der Tat schritt er sofort zum Gegenbeweis. Danach zündete er sich eine Zigarette an, legte sich entspannt auf den Rücken. War es denn schön für dich? Und ich sagte ja. Reflex der Intimität. Wie die Regel des Anstands. Du verdankst das Stück Brot, auch wenn du nicht hungrig bist. Sex ist der Motor, der alles am laufen hält. Nur mich nicht mehr.
    Am frühen Morgen werden Puls und Temperatur gemessen. Ich mag das lächerlich finden, aber die Schwester muss es tun. Trotz meiner Renitenz bleibt sie liebenswürdig. Auf einem grünen Zettel stehen meine Arzttermine und die Telefonnummer des mir zugeteilten Physiotherapeuten.
    Gefühle der Isolation. Gefangen in einer Welt, die von ein paar Menschen regiert wird, die gesund sind. Die uns wieder herrichten müssen und aufrüsten für den Alltag draußen.
    »Die Therapie zielt dahin, die verbliebenen Kräfte und Ressourcen des Patienten zu stärken, seine hinderlichen Verhaltensweisen zu ändern und …«
    Ich unterbreche den Psychiater: »Warum meistern die einen ihr Schicksal und andere nicht?«
    Der Doktor mag keine Fragen, die Fragen, die stellt er. In seinem Lächeln steckt die Arroganz des Halbgotts – nicht in Weiß, Dr. H.C . Moeller trägt Jeans. Barfüßig streckt er seine langen Beine unterm Pult durch, Fersen auf den Jesuslatschen, die Swatch rechts, ums linke Handgelenk Elefantenhaare. Das Namensschildchen auf Herzhöhe wirkt auf dem T -Shirt deplatziert. Er fragt mich nach Auffälligkeiten.
    »Auffällige Dinge? Wie meinen Sie das?«
    »Sind Ihnen in letzter Zeit Dinge aufgefallen, die Ihnen nicht entsprechen, die Ihnen fremd sind, die …«
    »Ja, diese negativen Gefühle, so destruktive Gedanken. Dabei bin ich immer eine Optimistin gewesen. Irgendwie bin ich nicht mehr ich selber. Das zeigt sich sogar in Kleinigkeiten. Ich möchte ja nicht dramatisieren, aber als ich einen Moment lang nicht mehr wusste, ob man Schweiz mit TZ oder bloßem Z schreibt, hat mich das schon erschreckt. Immerhin bin ich Deutschlehrerin! – Mir ist das Z einfach so nackt vorgekommen«, ergänze ich, weil Moeller nicht reagiert.
    »Was haben Sie sonst geträumt?«
    «Das war kein Traum! Mir sind auch andere komische Dinge passiert. Zum Beispiel im Schuhgeschäft. Ich bin nach der Schule in ein Schuhgeschäft, um für meinen Aufenthalt hier bequeme Schuhe zu kaufen. Doch als ich im Laden stand, konnte ich nicht mehr sagen, was ich wollte. Dass ich Schuhe wollte, wusste ich noch, aber nicht mehr, wie die Marke heißt. Irgendetwas mit
Teufel
oder
Faust
, habe ich der Verkäuferin erklärt. Statt sich ein bisschen anzustrengen, hat sie, als wäre ich der letzte Trottel, einfach nur ein mitleidiges Lächeln aufgesetzt. Alle ringsum, alle haben sie diese Idiotin angestarrt! Ich bin dann aus dem Geschäft geflüchtet. Kaum auf der Straße, ist es mir wieder eingefallen –
Mephisto

    »Sind Sie zurück in das Geschäft?«
    Auf manche Fragen gebe ich Moeller keine Antwort. Dann stellt er sie anders oder wechselt das Thema. Ich hätte einem Psychiater mehr Beharrlichkeit zugetraut.
    Wie sein Blick auf die Uhr mir andeutet, dass wir für heute fertig sind, jucke ich wie eine Schülerin bei der Pausenglocke auf.
    »Nur ruhig, nehmen Sie sich ruhig Zeit.«
    Nach meinem erneuten Blick auf sein Namensschild erklärt er: » H.C . deutet nur auf meinen Vornamen hin. Den
honoris causa
, man würde das Kürzel übrigens klein schreiben, den habe ich – noch – nicht. Heinrich Carlo«, ergänzt er.
    »Frau Dornbach?«
    Als ich aus dem Lift steige, kommt die Dame vom Empfang auf mich zu. »Soll ich Sie auf Ihr Zimmer begleiten?«
    »Nein, nein, danke. Ich habe mich bloß in der Etage geirrt.«
    »Übrigens, Frau Dornbach, haben Sie die Nachricht in Ihrem Fach gesehen? Ihr Mann hat schon wieder angerufen, er bittet Sie, ihn möglichst bald zu kontaktieren.«
    »Wer hat angerufen?«
    »Nun eben, Ihr Mann, denke ich. Moment.«
    Sie holt den Zettel mit einer aufnotierten Telefonnummer, dahinter steht das gestrige und heutige Datum und
Gruß Bori
. Das kann nur mein Schüler Tibor, der frühere Freund von Sonja, sein.
    Die Dame nimmt mich am Arm und macht mich auf die bunt beschriebene Tafel an der Wand neben der Rezeption aufmerksam. Hier werden die heutigen Tagesangebote festgehalten, »es
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