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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid
Autoren: Card Orson Scott
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Themenkatalog auf. »Das Begehren des Körpers ist es zu handeln. Es schließt alle Berührungen ein, beiläufige und intime, und alle herkömmlichen Bewegungen. So nimmt er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr und glaubt, er habe gesehen, wie seine tote Frau über die Schwelle tritt, und er kann nicht eher zufrieden sein, bis er zur Tür gegangen ist und sich überzeugt hat, daß es nicht seine Frau war. So wacht er aus einem Traum auf, in dem er ihre Stimme gehört hat, und ertappt sich, wie er seine Antwort laut spricht, als könne sie ihn hören.«
    »Was noch?« fragte Jiang-qing.
    »Ich bin der Philosophie überdrüssig«, sagte Han Fei-tzu. »Vielleicht fanden die Griechen Trost darin, aber ich nicht.«
    »Das Begehren des Geistes«, sagte Jiang-qing beharrend.
    »Weil der Geist von der Erde ist, ist er der Teil, der aus alten Dingen neue schafft. Der Gatte sehnt sich nach allen unerledigten Dingen, die er und seine Frau in Angriff genommen hatten, als sie starb, und all den niemals begonnenen Träumen darüber, was sie getan hätten, hätte sie gelebt. Daher wird ein Mann wütend auf seine Kinder, weil sie viel zu sehr ihm ähneln und nicht annähernd genug seiner toten Frau. So haßt ein Mann das Haus, in dem sie gemeinsam gelebt haben, weil er es entweder nicht verändert, so daß es so tot ist wie seine Frau, oder weil er es verändert, so daß es nicht mehr zur Hälfte von ihr geschaffen wurde.«
    »Du darfst auf unsere kleine Qing-jao nicht wütend sein«, sagte Jiang-qing.
    »Warum?« fragte Han Fei-tzu. »Wirst du bleiben und mir helfen, sie zu lehren, eine Frau zu sein? Ich kann sie nur lehren, das zu sein, was ich bin – kalt und hart, scharf und stark, wie Obsidian. Wie kann ich umhin, zornig zu sein, wenn sie zu solch einem Menschen heranwächst, während sie dir doch so ähnlich sieht?«
    »Weil du sie auch alles lehren kannst, was ich bin«, sagte Jiang-qing.
    »Wenn ich irgendeinen Teil von dir in mir hätte«, sagte Han Fei-tzu, »hätte ich dich nicht heiraten müssen, um zu einer vollständigen Person zu werden.« Nun hänselte er sie, indem er die Philosophie benutzte, um das Gespräch von den Schmerzen fortzulenken. »Das ist das Begehren der Seele. Weil die Seele aus Licht besteht und in der Luft existiert, ist sie der Teil, der Vorstellungen entwirft und bewahrt, besonders die Vorstellung vom Selbst. Der Gatte sehnt sich nach seinem ganzen Selbst, das gemeinsam aus dem Mann und der Frau bestand. Daher schenkt er niemals irgendeinem seiner Gedanken Glauben, denn in seinem Kopf ist immer eine Frage, auf die die Gedanken seiner Frau die einzig mögliche Antwort waren. Daher kommt ihm die ganze Welt tot vor, denn er kann nicht darauf vertrauen, daß angesichts dieser nicht zu beantwortenden Frage irgend etwas seine Bedeutung behält.«
    »Sehr tiefsinnig«, sagte Jiang-qing.
    »Wäre ich ein Japaner, würde ich Seppuku begehen und meine Eingeweide in die Urne mit deiner Asche geben.«
    »Sehr naß und schmutzig«, sagte sie.
    Er lächelte. »Dann sollte ich vielleicht ein alter Hindu sein und mich auf deinem Scheiterhaufen verbrennen.«
    Aber sie war der Scherze überdrüssig. »Qing-jao«, flüsterte sie. Sie erinnerte ihn daran, daß ihm die glanzvolle Tat, mit ihr zu sterben, verwehrt blieb. Jemand mußte sich um die kleine Qing-jao kümmern.
    Also antwortete Han Fei-tzu ihr in vollem Ernst. »Wie kann ich sie lehren, zu sein, was du bist?«
    »Alles Gute in mir«, sagte Jiang-qing, »kommt vom Weg. Wenn du sie lehrst, den Göttern zu gehorchen, die Vorfahren zu ehren, die Menschen zu lieben und den Herrschern zu dienen, werde ich genauso wie du in ihr sein.«
    »Ich würde sie den Weg als Teil von mir lehren«, sagte Han Fei-tzu.
    »So nicht«, sagte Jiang-qing. »Der Weg ist kein natürlicher Teil von dir, mein Gatte. Selbst wenn die Götter jeden Tag zu dir sprechen, bestehst du darauf, in einer Welt zu leben, in der man alles mit natürlichen Ursachen erklären kann.«
    »Ich gehorche den Göttern.« Er dachte verbittert, daß er keine andere Wahl hatte; schon den Gehorsam zu verzögern war eine Folter.
    »Aber du kennst sie nicht. Du liebst ihre Werke nicht.«
    »Der Weg ist, die Menschen zu lieben. Den Göttern gehorchen wir nur.« Wie kann ich Götter lieben, die mich bei jeder Gelegenheit erniedrigen und quälen?
    »Wir lieben die Menschen, weil sie Geschöpfe der Götter sind.«
    »Halte mir keine Predigt.«
    Sie seufzte.
    Ihre Traurigkeit schmerzte ihn wie der Stich einer
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