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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid
Autoren: Card Orson Scott
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so nahe, daß sie seinen leisen Atem hören konnte, als er die ersten Absätze las. Er war nicht mehr jung; die Anstrengung, sich in ihr Büro zu beugen, die Hände auf den Türrahmen zu legen, ließ seinen Atem schneller gehen, als es ihr gefiel.
    Dann sprach er, doch sein Gesicht war so nahe, daß sie spürte, wie seine Lippen ihre Wangen streiften. Die Berührung kitzelte bei jedem Wort. »Von jetzt an wird sogar seine Mutter hinter vorgehaltener Hand lachen, wann immer sie den armen Hund sieht.«
    »Es war nicht leicht, es komisch zu machen«, sagte Valentine. »Ich ertappte mich immer wieder, wie ich ihn brandmarkte.«
    »So ist es besser.«
    »Oh, ich weiß. Hätte ich meine Wut offen gezeigt, hätte ich ihn all seiner Verbrechen bezichtigt, wäre er nur um so mächtiger und furchtbarer erschienen, und die Herrschaft-durch-Gesetze-Fraktion hätte ihn um so mehr geliebt, während die Feiglinge auf allen Welten sich nur um so tiefer vor ihm verbeugt hätten.«
    »Wenn sie sich noch tiefer verbeugen wollen, müssen sie dünnere Teppiche kaufen«, sagte Jakt.
    Sie lachte, vor allem, weil das Kitzeln seiner Lippen auf ihrer Wange unerträglich wurde. Allmählich quälte es, sie auch mit einem Verlangen, das auf dieser Reise einfach nicht befriedigt werden konnte. Das Sternenschiff war zu klein und überfüllt; ihre ganze Familie befand sich an Bord, und so etwas wie eine Privatsphäre gab wirklich nicht. »Jakt, wir haben die Hälfte der Strecke bald hinter uns. Wir haben während der Mischmisch-Fänge jedes Jahr unseres Lebens länger enthaltsam gelebt.«
    »Wir könnten ein Schild an die Tür hängen. Bitte nicht stören!«
    »Dann könntest du genauso gut das Schild an die Tür hängen: ›Drinnen frischt nacktes älteres Ehepaar Erinnerungen auf.‹«
    »Damit meinst du doch nicht mich?«
    »Du bist über sechzig.«
    »Wenn sich der ältere Soldat noch erheben und salutieren kann, soll er ruhig bei der Parade mitmarschieren.«
    »Keine Parade, bis die Reise vorüber ist. Es sind ja nur noch ein paar Wochen. Wir haben nur noch das Treffen mit Enders Stiefsohn vor uns, und dann nehmen wir wieder Kurs auf Lusitania.«
    Jakt wich von ihr zurück, schob sich über die Schwelle und richtete sich im Gang auf – einer der wenigen Stellen im Raumschiff, wo er wirklich aufrecht stehen konnte. Doch er stöhnte dabei.
    »Du knarrst wie eine rostige alte Tür«, sagte Valentine.
    »Ich habe gehört, wie du die gleichen Geräusche machtest, als du von deinem Schreibtisch aufgestanden bist. Ich bin nicht der einzige senile, klapprige, elende alte Tattergreis in unserer Familie.«
    »Verschwinde und laß mich den Artikel senden.«
    »Ich bin es gewohnt, auf einer Reise arbeiten zu müssen«, sagte Jakt. »Aber hier erledigen die Computer alles, und dieses Schiff rollt oder schlingert niemals in der See.«
    »Lies ein Buch.«
    »Ich mache mir Sorgen um dich. Soviel Arbeit und keine Spiele lassen Val zu einer griesgrämigen alten Schachtel werden.«
    »Jede Minute, die wir uns hier unterhalten, entspricht achteinhalb Stunden Realzeit.«
    »Unsere Zeit hier auf diesem Raumschiff ist genauso real wie ihre Zeit da draußen«, sagte Jakt. »Manchmal wünschte ich, Enders Freunde hätten keine Möglichkeit gefunden, daß unser Raumschiff Verbindung mit dem Land hält.«
    »Dafür ist eine gewaltige Menge Computerzeit erforderlich«, sagte Val. »Bislang konnte nur das Militär mit fast lichtschnell fliegenden Raumschiffen kommunizieren. Wenn Enders Freunde das bewerkstelligen konnten, bin ich es ihnen schuldig, es auch zu benutzen.«
    »Du tust das alles doch nicht, weil du jemandem etwas schuldig bist.«
    Das entsprach allerdings der Wahrheit. »Wenn ich jede Stunde einen Essay schreibe, Jakt, bedeutet das für den Rest der Menschheit, daß Demosthenes nur alle drei Wochen etwas veröffentlicht.«
    »Du kannst unmöglich jede Stunde einen Essay schreiben. Du mußt schlafen und essen.«
    »Du sprichst, ich höre zu. Verschwinde, Jakt.«
    »Wenn ich gewußt hätte, daß die Rettung eines Planeten vor der Vernichtung bedeuten würde, daß ich wie ein Eunuch leben muß, hätte ich niemals zugestimmt.«
    Das war nur halb im Spaß gesagt. Es war für ihre gesamte Familie eine schwere Entscheidung gewesen, Trondheim zu verlassen – auch für sie, obschon sie wußte, daß sie Ender wiedersehen würde. Die Kinder waren jetzt alle beinahe erwachsen; sie betrachteten diese Reise als großes Abenteuer. Ihre Vorstellungen von der Zukunft waren
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