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Xenozid

Xenozid

Titel: Xenozid
Autoren: Card Orson Scott
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stellte Qing-jao auf die Füße; sie hatte nicht fest geschlafen, so daß sie augenblicklich aufwachte und langsam blinzelte. Han Fei-tzu flüsterte ihr etwas zu, und sie rollte ihre Zettel zusammen und steckte sie in die Ärmel der Mutter. Sie schien nichts dagegen zu haben, die kalte Haut ihrer Mutter zu berühren – sie war noch zu jung, um gelernt zu haben, bei der Berührung des Todes zu erschaudern.
    Auch Han Fei-tzu scheute nicht davor zurück, die Haut seiner Frau zu berühren, als er seine drei Zettel in den anderen Ärmel steckte. Was sollte er sich nun vor dem Tod fürchten, wo er seine schlimmste Arbeit schon verrichtet hatte?
    Niemand wußte, was auf seinen Zetteln geschrieben stand. Die anderen wären entsetzt gewesen, denn er hatte geschrieben: ›Mein Körper‹, ›Mein Geist‹ und ›Meine Seele‹. So verbrannte er sich auf Jiang-qings Scheiterhaufen ebenfalls und begleitete sie, wohin sie auch ging.
    Dann legte Mu-pao, Jiang-qings geheime Magd, die Fackel an das heilige Holz, und der Scheiterhaufen brach in Flammen aus. Die Hitze des Feuers war schmerzhaft, und Qing-jao versteckte sich hinter ihrem Vater und spähte nur gelegentlich um ihn herum, um ihre Mutter bei ihrem Aufbruch auf ihrer endlosen Reise zu beobachten. Han Fei-tzu jedoch hieß die trockene Hitze willkommen, die seine Haut versengte und die Seide seiner Robe spröde machte. Ihr Körper war nicht so ausgetrocknet gewesen, wie es den Anschein gehabt hatte; lange, nachdem sich die Zettel zu Asche zusammengezogen hatten und in den Rauch des Feuers hochgeblasen worden waren, zischte ihre Leiche noch immer, und der schwere Weihrauch, der überall um das Feuer herum brannte, konnte den Geruch des verbrennenden Fleisches nicht vor ihm verbergen. Das ist es, was wir hier verbrennen: Haut, Fleisch, Aas, nichts. Nicht meine Jiang-qing. Nur die Gestalt, die sie in diesem Leben getragen hatte. Das, was diese Leiche zu der Frau machte, die ich liebte, ist noch am Leben, muß noch am Leben sein. Und einen Augenblick lang glaubte er, er könne sehen, oder hören, oder irgendwie fühlen, wie Jiang-qing überging. In die Luft, in die Erde, in das Feuer. Ich bin bei dir.
     

Kapitel 2
Eine Begegnung
    ›Das Seltsamste an den Menschen ist, wie sich die Männer und Frauen zusammenfinden. Sie liegen ständig im Krieg miteinander, können sich nie in Ruhe lassen. Sie scheinen einfach nicht zu begreifen, daß Männer und Frauen zwei verschiedene Spezies mit völlig anderen Bedürfnissen und Wünschen sind, die lediglich zusammenkommen müssen, um sich zu fortzupflanzen.‹
    ›Natürlich empfindest du so. Deine Paarungsgefährten sind nur verstandlose Drohnen, Ausweitungen deines Ichs, ohne eigene Identität.‹
    ›Wir kennen unsere Liebhaber und haben ein perfektes Verständnis für sie. Die Menschen erfinden einen imaginären Liebhaber und legen diese Maske auf das Gesicht des Körpers in ihrem Bett.‹
    ›Das ist die Tragik der Sprache, mein Freund. Die, die einander nur durch symbolische Darstellungen kennen, sind gezwungen, einander vorzustellen. Und weil ihre Vorstellungskraft nicht vollkommen ist, irren sie sich oft.‹
    ›Das ist die Quelle ihres Elends.‹
    ›Und zum Teil auch ihrer Kraft, glaube ich. Dein Volk und meins paaren sich, jeweils aus eigenen evolutionsbedingten Gründen, mit völlig verschiedenartigen Partnern. Unsere Partner sind uns intellektuell immer hoffnungslos unterlegen. Menschen paaren sich mit Wesen, die ihre Überlegenheit herausfordern. Es gibt Konflikte zwischen den Partnern, aber nicht, weil ihre Kommunikation der unseren unterlegen ist, sondern weil sie überhaupt miteinander kommunizieren.‹
     
    Valentine Wiggin las ihren Aufsatz noch einmal durch und nahm hier und da ein paar Korrekturen vor. Als sie fertig war, standen die Worte über ihrem Computerterminal in der Luft. Sie war sehr mit sich zufrieden, Rymus Ojman, den Vorsitzenden des Kabinetts des Sternenwege-Kongresses, so deftig und ironisch auseinandergenommen zu haben.
    »Haben wir einen weiteren Angriff auf die Herren der Hundert Welten abgeschlossen?«
    Valentine drehte sich nicht zu ihrem Mann um. Anhand seiner Stimme wußte sie genau, was für ein Ausdruck auf seinem Gesicht lag, und so erwiderte sie das Lächeln, ohne ihn anzusehen. Nach fünfundzwanzig Jahren Ehe konnten sie einander deutlich sehen, ohne hinschauen zu müssen. »Wir haben Rymus Ojman ins Lächerliche gezogen.«
    Jakt beugte sich in ihr winziges Büro. Sein Gesicht war dem ihren
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