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Xeelee 4: Flux

Xeelee 4: Flux

Titel: Xeelee 4: Flux
Autoren: Stephen Baxter
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Chaos.
    Da sah sie am Rande ihres Blickfelds – ein weißblaues Zucken in der Ferne… die Schwingungen der Feldlinien, deren Ursprung im hohen Norden lag, verstärkten sich: gewaltige, gezackte Instabilitäten, mit denen die kleinen Unregelmäßigkeiten, die sie bisher beobachtet hatte, überhaupt nicht zu vergleichen waren.
    Es blieb nicht mehr viel Zeit.
    Logue, ihr Vater, hing ein Stück vom Netz entfernt im Magfeld. Adda, der schon zu alt und zu langsam war, um beim Abbau des Lagers mit den anderen mitzuhalten, schwebte mit mißmutigem Gesicht neben Logue. Logue brüllte mit seiner sonoren Bariton-Stimme Befehle, was nach Duras Beobachtungen jedoch keinen erkennbaren Einfluß auf den chaotischen Arbeitsablauf hatte. Noch immer empfand Dura dieses seltsame Gefühl der Zeitlosigkeit und Entrücktheit, und sie musterte ihren Vater, als ob sie ihn seit vielen Wochen zum erstenmal wieder sähe. Das zerzauste flachsblonde Haar klebte ihm am Kopf. Logues Gesicht war maskenhaft starr und von Narben und Falten übersät; und trotzdem schimmerten noch die weichen, jungenhaften Züge durch, die nun für Farr typisch waren.
    Als Dura näher kam, drehte Logue sich zu ihr um; seine Wangenmuskulatur arbeitete. »Du hast dir aber viel Zeit gelassen«, knurrte er. »Wo bist du gewesen? Du wirst hier gebraucht. Siehst du das denn nicht?«
    Seine Worte rissen sie aus ihrem tranceähnlichen Zustand, und obwohl Eile durchaus geboten war, spürte sie, wie Zorn in ihr aufwallte. »Wo ich gewesen bin? Ich bin mit einem Xeelee-Nightfighter zum Kern geflogen. Wo sollte ich denn sonst gewesen sein?«
    Unangenehm berührt wandte Logue sich von ihr ab. »Du sollst diese blasphemischen Äußerungen unterlassen«, murmelte er.
    Ihr war zum Lachen zumute. Sie ärgerte sich über ihn, über sich selbst und über die ständigen Reibereien zwischen ihnen. »Ach, in den Ring damit. Was soll ich tun?« fragte sie kopfschüttelnd.
    Nun beugte der alte Adda sich nach vorne; die mit schütterem Haar bewachsene Kopfhaut war von Schweiß überzogen. »Ich weiß nicht, ob du noch viel tun kannst«, sagte er säuerlich. »Sieh sie dir an. Welch ein Chaos.«
    »Wir werden es nicht rechtzeitig schaffen, nicht wahr?« fragte Dura ihn und wies nach Norden. »Schaut euch diese Wellen an. Sie halten direkt auf uns zu.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.« Mit leeren Augen schaute der alte Mann zum Südpol, dessen sanftes Glühen sich in den Augenhöhlen widerspiegelte; Partikeln wirbelten um die Ränder, die von winzigen Reinigungssymbionten in ständiger Arbeit aus den Augenhöhlen entfernt wurden.
    »Mur, du verdammter Narr«, brüllte Logue plötzlich. »Wenn du den Knoten nicht aufbekommst, dann schneide ihn durch. Zerreiß den Strang. Zernage ihn, wenn es anders nicht geht! Aber er muß aufgehen, oder das halbe Netz wird vom Sturm ins Quanten-Meer geblasen…«
    »Der schlimmste, den ich je erlebt habe«, murmelte Adda und sog die Luft ein. »So säuerlich haben die Photonen noch nie gerochen. Wie ein ängstliches Ferkel… Aber…«, fuhr er dann fort, »ich erinnere mich noch an einen Spin-Sturm aus meiner Kindheit…«
    Dura konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Adda wußte von allen wahrscheinlich am besten über die Eigenheiten des Sterns Bescheid. Aber er gefiel sich auch in seiner Rolle als Untergangsprophet… er klammerte sich an die Mysterien seiner Vergangenheit, an die wilden, tödlichen Zeiten, an die nur er sich erinnerte…
    Wutentbrannt, wobei ihm schier die Gesichtszüge entgleisten, drehte Logue sich zu Dura um. »Während du hier noch grinst, könnten wir schon tot sein«, zischte er. Seine dunkelbraunen Augen waren fast schwarz vor Zorn.
    »Ich weiß.« Sie berührte seinen Arm und spürte die warme Luft, die aus den angespannten Muskeln gepreßt wurde. »Ich weiß. Es – tut mir leid.«
    Er sah sie stirnrunzelnd an und streckte die Hand aus, als ob er sie berühren wollte. Doch dann zog er sie zurück. »Vielleicht bist du doch nicht so stark, wie ich immer geglaubt habe.«
    »Nein«, sagte sie leise. »Vielleicht bin ich doch nicht so stark.«
    »Komm«, sagte er. »Wir helfen uns gegenseitig. Und wir helfen unseren Leuten. Wenigstens ist bisher noch niemand umgekommen.«

    Dura arbeitete sich über die Flußlinien des Magfelds zum Netz vor. Männer, Frauen und größere Kinder hatten sich zu Trauben zusammengeballt, wobei die dünnen Leiber durch die Turbulenzen des Magfelds immer wieder zusammenstießen, während sie am
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