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Xeelee 4: Flux

Xeelee 4: Flux

Titel: Xeelee 4: Flux
Autoren: Stephen Baxter
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anderen, sagte sie sich. »Wie geht es Bzya?«
    Er schniefte. »Er wird überleben und sich in sein Schicksal fügen. Dabei hat er noch Glück gehabt; er hat jetzt nicht nur Jool, sondern auch seine Tochter Shar…«
    »Und dich«, sagte sie.
    Er antwortete nicht.
    »Wirst du bei ihnen bleiben?«
    Er zuckte die Achseln, als ob er wie früher aufbrausen wollte, doch sein friedfertiger Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.
    Sie drückte ihm die Hand. »Ich freue mich, daß du ein Zuhause gefunden hast«, sagte sie.
    Während sie sich dem Herzen der Trümmerwolke näherten, hörten sie erneut die hohe Stimme des Arztes Muub, der sich an die dort versammelte Menge wandte.
    »… Der Kult der Xeelee, der höheren Zielen Vorrang gegenüber dem Tagesgeschäft einräumte, hatte in Parz’ geschlossener, kontrollierter Gesellschaft bisher keinen Platz gehabt. Die Behörden waren der Ansicht, nur durch die Unterdrückung dieser Elemente – die Vertreibung der Anhänger des Xeelee-Kults und die während der Reformation erfolgte Löschung des Wissens über die Vergangenheit – könne die Stadt überleben.
    Sie hatten sich geirrt.
    Der menschliche Forscherdrang läßt sich auch nicht von den strengsten Kontrollen hemmen. Die Oberströmler haben sich das alte Wissen über Generationen hinweg bewahrt, ohne daß sie Zugang zu Aufzeichnungen oder Schreibwerkzeugen gehabt hätten. Neue Glaubensrichtungen – wie der Rad-Kult – erblühten in der Wüste, die durch die Ächtung der alten Religionen und Wissenschaften entstanden war.« Muub legte eine Pause ein, und – ohne daß sie ihn selbst gesehen hätte – entstand vor Duras geistigem Auge das Bild, wie sein Blick in die Ferne schweifte, während er seinen Visionen nachhing. »Interessanterweise haben die verbannten Menschlichen Wesen und die fast genauso benachteiligten Unterströmler von Parz sich ein umfassendes Wissen bewahrt, und zwar nur durch mündliche Überlieferung. Wenn wir alle von stellaren Ingenieuren abstammen – von einer hochintelligenten Rasse also –, dann ist ein solcher Transfer über Generationen hinweg auch nicht verwunderlich. Vielmehr ist die systematische Vergeudung von Talent ein Verbrechen. Zu welchen Leistungen die Menschen in diesem Stern wohl imstande gewesen wären, hätte man sie nicht durch Vorurteile und Aberglauben an ihrer freien Entfaltung gehindert…«
    »Alter Schwätzer«, sagte Adda schnaubend.
    Dura lachte.
    »Ich wünschte, ich könnte nun Horks Gesicht sehen.«
    »Vielleicht schätzt du ihn falsch ein, Adda.«
    »Vielleicht. Aber«, sagte er nachdenklich, »ich hatte auch nie so engen Kontakt mit ihm wie du.«
    Erneut musterte sie den alten Mann und fragte sich, wieviel er wußte oder was er in ihrem Gesicht las. Mit ausdruckslosem Blick schaute er sie an und wartete auf eine Reaktion.
    Doch worin bestand ihre Reaktion? Was wollte sie überhaupt?
    So viel war seit dem ersten Störfall geschehen, der ihr den Vater genommen hatte. Mehrmals hatte sie schon mit dem Leben abgeschlossen – seit sie in Parz’ Hafen an Bord des ›Fliegenden Schweins‹ gegangen war, hatte sie nicht mehr damit gerechnet, jemals wieder in den Mantel zurückzukehren. Nun war sie einfach nur froh, noch am Leben zu sein, und diese schlichte Tatsache würde für den Rest ihres Lebens ein Quell der Freude sein.
    Und doch…
    Und doch hatten die Erfahrungen sie verändert. Nachdem sie so viel gesehen hatte, weiter gereist war und mehr erlebt hatte als irgendein Mensch seit den Tagen der Kolonisten, hätte sie sich unmöglich ein Leben als Städter – und noch viel weniger als Menschliches Wesen – vorstellen können.
    In Gedanken versunken verschränkte sie die Arme vor der Brust und erinnerte sich an den Moment der Leidenschaft mit Hork – als sie angesichts der Todesgefahr im UnterMantel ihr ausgeprägtes Bedürfnis nach Wahrung der Intimsphäre zurückgestellt hatte. Sie hatte dort einen Funken menschlicher Wärme gefunden; Hork war sicher klüger, als sie zunächst vermutet hatte. Allerdings hatte sie in der Kammer der Ur-Menschen auch in Horks Seele geschaut, und das, was sie dort gesehen hatte – den Zorn, die Verzweiflung, die Todessehnsucht –, war ihr zuwider gewesen.
    Hork war kein Gefährte für sie.
    »Ich habe mich verändert, Adda«, sagte sie. »Ich…«
    »Nein.« Er las in ihrem Gesicht und schüttelte traurig den Kopf. »Du hast dich nicht verändert. Du warst schon einsam, bevor wir hierher gekommen sind, und du bist es noch immer.
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